Die Sage vom Fuhrmannsbaum

Schon als der Nordheimer Lehrer Mak 1913 die Sage vom Fuhrmannsbaum bei Nordheim veröffentlichte, war der ursprüngliche Fuhrmannsbaum am Feldweg von Nordheim nach Hausen a.d.Z. auf der Höhe des Wannenberges längst abgegangen. Der Name war noch überliefert, aber dessen Ursprung war schon fast vergessen. Lehrer Mak erzählte die Geschichte neu.

Es war am Heiligen abend des Jahres 1696. Die Wolken hingen schwarz und schwer über der dunklen Erde; ein rauher Westwind fuhr durch die kahlen Wipfel der Bäume. Endlos goss der Regen auf die Erde und machte die ohnedies schlechten, unbefestigten Fahrwege grundlos. Es fing früh an zu dunkeln. Da fuhr ein Fuhrmann auf dem aufgeweichten Weg durch Nordheim, um eine Fuhre Wein nach Bietigheim zu bringen. Unmutig blickte der finstere Fuhrmann in die Welt, und die triefenden Pferde ließen traurig die Köpfe hängen und stapften träge voran. ärgerlich über das schlechte Wetter erwiderte der Fuhrmann nicht mal die gutgemeinten Zurufe der ihn bedauernden Einwohner.
 
Der Fuhrmann fuhr links abbiegend zum Dorf hinaus, dem vor dem Dorf beginnenden Hohlweg zu. Der Weg stieg jetzt etwas an, und die zuggewohnten Pferde legten sich fest ins Geschirr. Gleich darauf senkt sich der Weg ins schmale Breibachtal. auf der anderen Seite des Baches, links neben dem Weg, lag ein tiefer See, der von einer Quelle und vom Bach gespeist wurde. Unheimlich lag das dunkle, ruhige Wasser da. Dann stieg der Weg sehr steil an. Es war nun ganz dunkel geworden, man erkannte kaum noch den Weg.
 
Langsam schlich das Fuhrwerk bergan. Die Pferde mussten ihre ganze Kraft aufbieten, um schrittweise voranzukommen. Noch hatten sie nicht die Hälfte der Anhöhe erreicht, und schon stockte das Fuhrwerk öfters. Der Boden war durch den Regen schlüpfrig geworden, und die Erde hing zäh an Rädern und Hufen. Mit der Peitsche half der Fuhrmann nach, aber es ging nur noch wenige Schritte, die erschöpften Pferde konnten kaum noch. Noch einmal strengten sie sich an, aber es ging über ihre Kräfte. Der Wagen begann schon rückwärts zu gleiten.
 
Da packte den Fuhrmann der Zorn, und er fing an, gotteslästerlich zu fluchen. Die Pferde rafften ihre letzte Kraft zusammen und es ging doch noch etwas bergan. Schon sah der Fuhrmann den oben auf der Ebene stehenden Baum und glaubte, er hätte es geschafft, aber noch war eine steile Steigung zu überwinden. Die Pferde brachten trotz Peitsche und Fluchen den schweren Wagen nicht mehr von der Stelle. In ohnmächtiger Wut rief der Fuhrmann: "Der Teufel soll euch holen!" Kaum waren ihm die Worte entfahren, als die Pferde sich ängstlich aufbäumten und anfingen zu zittern. Der Wagen kam ins Gleiten, er riss die Pferde mit. Wild packte der Fuhrmann sein Handpferd am Zaum, um es vorwärts zu reißen. aber es gab kein Halten mehr.
 
Unaufhaltsam rutschte der Wagen die steile Höhe hinab, Pferde und Fuhrmann mit sich reißend, geradewegs dem unheimlichen See zu. Der fürchterliche Schrei des Fuhrmanns tönte durch die Luft und ein gellendes Hohngelächter soll ihm geantwortet haben. Das Wasser spritzte auf, brodelte noch ein wenig, aber bald darauf hatte sich der Wasserspiegel wieder geglättet. am nächsten Tag sah man nur noch die Spuren, die Pferde und Wagen genommen hatten.
 
Den See gab es schon lange nicht mehr, doch erzählte man sich noch, dass der Fuhrmann, wenn ein weinreiches Jahr bevorstand, am Heiligen Abend in die Hausener Hohle hinein knallte.
 
 
Quelle: Lehrer Mak, Die Sage vom "Fuhrmannsbaum" bei Nordheim, in: Vierteljahreshefte des Zabergäu-Vereins 14, 1913, S. 37ff.

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