Mitteilungsblatt Nordheim

Neues aus Nordheim und Nordhausen

Geschichte des Monats

Erfasst von: Redaktion, Azubi | 06.05.2025

Der Katzentalbach und seine vielfältige Nutzung, Teil 1

Dass ein Fluss oder Bach durch eine Gemeinde führt, ist nicht überall gegeben und ist etwas Besonderes. Durch Nordheim fließt der Katzentalbach, und am östlichen Ende der Markung wird Nordheim vom Altarm des Neckars tangiert, weshalb unser Dorf früher als „Nordheim am Neckar“ bezeichnet wurde. An dieser Stelle mündet auch unser Ortsbach in den Neckar. Der Katzentalbach hat für die Menschen von Nordheim früher großen Nutzen gebracht, z.B. zur Bewässerung, als Tränke für Tiere oder die Kraft des fließenden Wassers als Antrieb von Maschinen aller Art. Er schuf damit sogar Arbeitsplätze und ermöglichte die Entwicklung des ersten „industriellen Betriebes“ in Nordheim (Uhland-Schwarzkopf-Viertel). Einige Male aber hat der Bach auch große Schäden durch Hochwasser verursacht. Neben seiner Aufgabe, Mensch und Tier mit Wasser und Wasserkraft zu versorgen, wurde der Bach leider immer wieder auch, als Entsorgungseinrichtung für Abfall und Unrat aller Art benutzt bzw. missbraucht. Die Nutzung des Baches als „Allesentsorger“ sollte in der heutigen Zeit unterbleiben, denn die Wasserqualität ist in der Regel recht gut und sollte erhalten bleiben. Schließlich diente der „Katzenbach“ auch der Jugend des Dorfes als Spielplatz. Man ließ „Schiffle“ schwimmen oder staute das Wasser, um Floß fahren zu können. Manch Nordheimer hat sich bei derartigen „Wasserspielen“ nasse Strümpfe oder sogar nasse Hosen geholt! Welche Bedeutung dieser Bach für Nordheim hatte und hat, soll in dieser Geschichte dargestellt werden – und nicht zuletzt auch, welchen Wandel er erlebt hat. Die ausführliche Geschichte der verschiedenen Nordheimer Mühlen sollen je in einer eigenen Geschichten behandelt werden.

Der Katzentalbach hat seinen Ursprung am Fuße des Heuchelberges im Bereich Streckbauch, Brämich, Entenpfuhl. Er durchfließt dann die Ruchenwiesen, kreuzt den Rittweg, fließt durch das Gewann Gräfenbrunnen bzw. Salzbrunnen, wo er von mehreren kräftigen Quellen gespeist wird. Er vereinigt sich dann in der Nähe des RRKV-Geländes mit dem Seelochbach.

Dieser kommt aus nordwestlicher Richtung aus dem Gebiet Schecherhausen, Koppen, Scheckklinge, Seeloch und fließt unter der Schwaigerner Straße hindurch in den Katzentalbach. Früher floss der Katzentalbach im Bereich der Schwaigerner Straße bis zur Oberen Mühle zweigeteilt. Das ursprüngliche Bachbett verlief im Talgrund des Vorderen Katzentales, der höher liegende künstlich angelegte Mühlkanal führte parallel zur Straße und hinter den Gebäuden an der Schwaigerner Straße das Hauptwasser. Erst bei der Metzgerei Böhler (jetzt „Willis Pizza“) an der Talstraße kam dieser Kanal zum Vorschein. Die Kurve an der Ecke Hauptstraße und Brackenheimer Straße war früher stellenweise mit starken Holzbohlen bedeckt, unter denen das Wasser zur oberen Mühle hinüberfloß. Außerdem gab es an der Abbiegung Richtung Brackenheim eine öffentliche Viehtränke am Bach. Am Fuße des Rotenberges in der Nähe der Mühlstraße mündet der Breibach in den Katzentalbach. Früher wurde er künstlich umgeleitet und floss der Unteren Mühle zu, so dass sein Wasser für den Antrieb der Mühlräder mit verwendet werden konnte. Der Breibach wird aus dem Langen Breibach und dem Kurzen Breibach gebildet, die beide auf Hausener Markung entspringen und im Gewann See/Seewiesen im Breibachtal zwischen Nordheim und Nordhausen zusammenfließen. Der Lange Breibach hat seinen Ursprung westlich des Sportgeländes in Nordhausen. Der Kurze Breibach entspringt westlich der Verbindungsstraße Nordhausen-Hausen.

Bewässerungsrecht: Die Entnahme von Wasser aus öffentlichen Gewässern musste orts- oder sogar landesrechtlich genehmigt werden. Wenn ein Eigentümer einem anderen Anlieger im wörtlichen Sinne „das Wasser abgrub,“ führte das zu Schaden und zu Streit. Deshalb waren klare Regelungen für das Stauen von Gewässern (Eichpfahl) oder auch für die Entnahme von Wasser für Mühlen oder zur Bewässerung erforderlich. Die Nutzung der Brunnen, Quellen und sonstigen Zuflüssen des Katzentalbaches begann früher schon weit außerhalb des Ortes mit der Bewässrung der „soganannten Seelig-Wiesen“ und der „Kazenthaler Wiesen“. In einer Wässerungs-Ordnung aus der Zeit um 1750 sind Tag und Stunde genau festgelegt, wann bzw. wie lange die jeweiligen Eigentümer ihre Gärten und Wiesen bewässern dürfen:

Wässerungs-Ordnung aus der Zeit um 1750
Wässerungs-Ordnung aus der Zeit um 1750

Nach dem Bau der Oberen Mühle im Jahr 1723 floss der Katzentalbach im Bereich der Schwaigerner Straße bis zur Oberen Mühle zweigeteilt. Das ursprüngliche Bachbett verlief im Talgrund des Vorderen Katzentales, der höher liegende künstlich angelegte Mühlkanal führte das Hauptwasser parallel zur heutigen Straße und hinter den Gebäuden an der Schwaigerner Straße bzw. Talstraße. Am Wasser dieses Mühlkanals hatten die Anlieger der Parzellen 413 bis 428 im Vorderen Katzental ein Recht zur Wasserentnahme im Zeitraum vom 24. Juni bis zum 24. August jeweils von Samstag 18.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr. Die Bewässrung erfolgte durch kleine Stichgräben, die vom rechten Ufer des Mühlkanals in die Grundstücke abzweigten.

Wasser für die Gänse – der „Gänsgarten“

Ebenfalls an der Schwaigerner Straße befand sich auf der Parzelle 18/3, heute etwa Gebäude Nummer 29 westlich von der Einmündung der Wilhelmstraße, der Gänsgarten. In diesem Bereich durften sich die von einem Gänsehirten/einer Gänsehirtin beaufsichtigten Gänse im Wasser des Mühlkanals tummeln. Damit die Tiere nicht entweichen konnten, war der Bachlauf kanalauf- und kanalabwärts mit einem hölzernen Pendelgitter abgeschlossen. Da die Kanalböschung unbefestigt war, wurde durch die Gänse dem Bach verhältnismäßig viel Erde und Schlamm zugeführt, was dem jeweiligen Mühlenbetreiber die Kanalreinigung erschwerte. Auf seine Beschwerde hin wurde dem Müller August Haldenwang 1924 dafür eine jährliche Entschädigung von 10 Goldmark zugesprochen. Bei ihrem Heimflug vom Gänsgarten gerieten Gänse in den 20er Jahren immer wieder in die Stromleitungen und verursachten Störungen. Aus diesem Grund hat man 1928 den Gansgarten endgültig aufgegeben.

Gännshirth Jacob Schuben Wittib wurde die Gännshuth zugesagt, die neben dem bisherigen lohn zur Neujahrs- und Fastnachtzeit den Hirtenumgang zu halten befugt seyn solle.
Gännshirth Jacob Schuben Wittib wurde die Gännshuth zugesagt, die neben dem bisherigen lohn zur Neujahrs- und Fastnachtzeit den Hirtenumgang zu halten befugt seyn solle.
1927: Gänse flogen beim Heimflug in die Stromleitungen; 1928 wurde der Gänsgarten deshalb abgeschafft.
1927: Gänse flogen beim Heimflug in die Stromleitungen; 1928 wurde der Gänsgarten deshalb abgeschafft.

Spritzenhaus:

Ein Recht der Wasserentnahme aus dem Mühlkanal erhielt ab 1941 auch die frühere Spar- und Darlehenskasse, die auf der Parzelle 18/9 an der Schwaigerner Straße das sogenannte Spritzenhaus gebaut hatte. In dieser Anlage wurde Spritzbrühe zur Schädlingsbekämpfung für den Wein- und Obstbau zubereitet. Das dafür benötigte Wasser durfte mit einer Kreiselpumpe, angetrieben von einem 6 PS-starken Motor, von Mai bis Juni an 6 Tagen je 10 Stunden mit 8 Sekundenliter dem Mühlkanal entnommen werden. Auf dieses Entnahmerecht wurde ab 1964 verzichtet, nachdem eine Wasserentnahmestelle an der Wilhelmstraße geschaffen worden war.

Das frühere Spritzenhaus in der Schwaigerner Straße
Das frühere Spritzenhaus in der Schwaigerner Straße

Wasser für das Vieh und Löschteich - Viehtränke und Wette:
Am Wasser des Katzentalbaches erfreuten sich nicht nur die Gänse, auch Kühe und Pferde nutzten das frische Wasser aus diesem Bach zum Trinken. In alten Akten finden sich die Begriffe Wette, Wettegärten, Viehtränke und Tränkbach. Wette ist ein früher verwendeter Begriff für einen Teich oder eine einfache Wasserstelle, die als Pferdeschwemme, Trinkstelle oder aber auch als Feuerlöschteich genutzt werden konnte. Eine Wette befand sich etwa zwischen Rathausgasse und Wassergasse. Als Wettegärten wurden die dortigen Parzellen auf der südlichen Seite des Baches bezeichnet. Eine weitere Wette, die vor allem als Viehtränke genutzt wurde, gab es an der Ecke Brackenheimer Straße und Talstraße bevor der Mühlkanal die Straße querte und der Oberen Mühle zufloss. Mit zunehmendem Ausbau der Talstraße ab 1895 wurde diese Wette um 1898 aufgegeben. Fronmeister und Feldmesser Kayser schreibt über diese Viehtränke 1834:

Obere Mühle
Obere Mühle

An der Tränke vor das Vieh bei der oberen
Mühle ist der Eingang vors Vieh in die Bach
sehr beschwerlich, durch den vielen Morast wird
auch das Wasser beim Eintritt des Viehs in die
Bach so verwüstet daß es vor dasselbe öfters nicht

genießbar ist.(GAN, A 179)

Bleichwiese: Zwischen der späteren Talstraße und dem Altbett des Katzentalbaches lagen die Schafwiesen. Direkt am Bach befand sich eine große, gemeindeeigene Parzelle die als Bleichwiese genutzt wurde. Der Bach musste immer so viel Wasser führen, dass dort das Tuch zum Bleichen begossen werden konnte. Das konnten neue gewebte Stoffbahnen sein oder auch frisch gewaschene Wäsche, die durch die Einwirkung von Sonne und Wind und mehrmaliges Wässern wieder aufgehellt werden sollte.

Die Bleichwiese in den Schafwiesen
Die Bleichwiese in den Schafwiesen

Außer der Nutzung des Wassers aus dem Katzentalbach zum Bewässern, zum Bleichen der Wäsche, als Bad für die Gänse oder zum Anrühren von Spritzbrühe wurde das Kraft des fließenden Wassers früher auch noch für den Antrieb verschiedener „Triebwerke“ benutzt. Darunter versteht man zum Beispiel eine Mahlmühle, Ölmühle, Gipsmühle, Hanfreibe, Hammermühle oder eine Sägmühle. Von diesen technischen Einrichtungen gab es in Nordheim erstaunlich viele. Über deren Geschichte, Funktion und Lage soll in weiteren „Nordheimer Geschichten“ berichtet werden.

Die Nutzung unseres Ortsbaches hat sich im Laufe der Geschichte ganz wesentlich verändert. Mit Ausnahme der Wasserentnahme zur Bewässerung sind alle anderen Nutzungen verschwunden. Eine neue Bedeutung hat der Katzentalbach vor allem durch das Landesprogramm „Mehr Natur in Stadt und Land“, ein Vorläufer der sogenannten „Kleinen Gartenschau“, die schließlich 2003 im „Nordheimer Blumensommer “ ihren Abschluss fand. In diesem Zusammenhang wurde der Bach renaturiert und für die Bevölkerung „erlebbar“ gemacht sowie verschiedene Hochwasser- Schutzmaßnahmen vorgenommen. Um Feuchtwiesen trockenzulegen und damit außerdem das Wasser bei Starkregen schneller abfließt hat man in früheren Zeiten versucht, die Fließgeschwindigkeit des Wassers zu erhöhen. Das sollte erreicht werden durch Bachbegradigung und durch ein „Zwangsbett“ aus Betonformsteinen (Schalen) oder Verbundsteinen.

Das „Zwangsbett“ des Baches: Links zwischen der „Sonne“ und der früheren „Darlehenskasse“, daneben bei der Brenngasse und rechts an der Wilhelmstraße.
Das „Zwangsbett“ des Baches: Links zwischen der „Sonne“ und der früheren „Darlehenskasse“, daneben bei der Brenngasse und rechts an der Wilhelmstraße.

Aus ökologischer und wassertechnischer Sicht sieht man die Sache heute anders. Im Vorfeld des Blumensommers 2003 wurden naturnahe Rückbaumaßnahmen des Bachbettes beschlossen und durchgeführt. Um die strukturelle und ökologische Vielfalt in und am Katzentalbach zu verbessern, wurde der Bachlauf neu trassiert, Ufer abgeflacht, Flutmulden und Auen in wechselnder Breite angelegt und zahlreiche raue Bettstrukturen eingebaut um den Oberflächenabfluss zu verringern bzw. zu verzögern und den Hochwasserabfluss dadurch zurückzuhalten oder zu bremsen.

Veränderungen und Ausbau des Bachlaufes und der Uferzone sowie Bau eines Fußweges
Veränderungen und Ausbau des Bachlaufes und der Uferzone sowie Bau eines Fußweges
Spielende Kinder am „Strand“ des Katzentalbaches im Park
Spielende Kinder am „Strand“ des Katzentalbaches im Park

Die Renaturierung des Katzentalbaches und mehrere weitere Baumaßnahmen im Rahmen des Blumensommers 2003 haben die Bedeutung und den Wert dieses Baches enorm gesteigert. Man kann den Bach nun beinahe auf seiner gesamten Länge vom Eintritt in den Ort bis zu seiner Mündung in den Neckar entlanggehen bzw. ihn begleiten. Die umgestaltete Ortsmitte und der Park haben die Lebensqualität und den Freizeitwert für die Menschen von Nordheim deutlich erhöht. Es ist erfreulich, wie der Kiesstrand oder die Grünflächen des Parkes bei gutem Wetter von jungen Familien mit Kindern, aber auch von älteren Menschen, genutzt werden. Dass dieser Bach mitten durch unser Dorf führt, ist etwas Besonderes und ein „Schatz“ für Nordheim. Der Katzentalbach hat für die Menschen von Nordheim früher eher praktischen Nutzen gebracht, heute aber ist sein Freizeitwert für die Bevölkerung von großer Bedeutung. So ist nun tatsächlich eingetreten, was bereits 1999 im Heimatbuch auf Seite 24 als Wunsch geäußert wurde:
„Es wäre zu wünschen, dass durch die geplanten Renaturierungsmaßnahmen des Katzentalbaches dieser wieder etwas mehr in den Blickpunkt der Bevölkerung rückt. Unser „Ortsbach“ könnte durchaus zur Verschönerung und Bereicherung des Dorfes beitragen. Manche alte Aufgabe hat er ja inzwischen abgegeben, eine neue Aufgabe könnte für ihn bei entsprechender Umgestaltung die Anhebung der Wohn- und Lebensqualität in der Ortsmitte sein.“

Nicht immer werden Wünsche Wirklichkeit – hier aber ist es geschehen!

Ulrich Berger

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