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Nordheimer Geschichte November 2024

Erfasst von: Redaktion, Azubi | 05.11.2024 – 30.11.2024

Der Familienname Nordheim, Norten, Northa – ein Rätsel

Im Nordheimer Heimatbuch von 1999 wird die Entstehung und Entwicklung von Familiennamen im Kapitel Namen – Menschen – Familien ausführlich beschrieben. Dort geht es in der Gruppe 2 „Familiennamen nach Herkunftsort oder Wohnstätte“ um bekannte Familiennamen, die auf einen Ortsnamen hinweisen wie z.B. Michelbach, Diefenbacher, Esslinger, Plieninger, von Olnhausen usw.

Auch der Ortsname „Nordheim“ erscheint als Familienname vom 13. bis in das 15. Jahrhundert in alten Urkunden mehrfach als Familienname „von Nordheim“. Meist geht es dabei um Käufe und Verkäufe. Die „von Nordheim“ treten dabei als Zeuge, Siegler oder Bürge auf. Bei diesen Personen handelt es sich allerdings nicht um Mitglieder des ranghohen Adels, aus dem später Freiherren oder Grafen hervorgehen. Man muss sie eher dem Kreis der Ritter, Edelknechte oder Knappen zuordnen. Auffällig ist, dass sie im 13. und 14. Jahrhundert in Nordheim selbst keine besondere Rolle spielen. Sie stehen eher in Beziehungen zu den Städten Pforzheim, Heilbronn und Wimpfen sowie zu den Klöstern Maulbronn und Herrenalb. Die Herkunftsbezeichnung „von Nordheim“ besagt dennoch, dass die Familie aus Nordheim stammte und hier zumindest einen Wohnsitz hatte. Allerdings kann ein solcher „Stammsitz“ des Nordheimer Ortsadels in Nordheim bisher nicht nachgewiesen werden.

In Heilbronn lassen sich einige Mitglieder aus Zweigen dieses ehemaligen Nordheimer Ortsadels nachweisen. So dürfte der mit einer Mechtild verheiratete Berthold von Nordheim dazu gehören, der 1406 eine Zinsschuld gegenüber dem Heilbronner Klarakloster von einem Weingarten in Flein bekannte, ebenso der Heilbronner Bürger Hans von Nordheim, der 1413 zusammen mit einem Schwager von seiner Schwiegermutter Katharina Müller die Mühle zu Frankenbach mit der Auflage erhielt, Katharina Müller bis zu ihrem Lebensende zu verköstigen. Im Heilbronner Urkundenbuch sind einige weitere Beispiele für die Linie „von Nordheim“ zu finden. Die Frage, ob der 1470 in Heilbronn genannte Schuhmacher Hans von Nordheim auch ein Nachkomme der Heilbronner Familie derer „von Nordheim“ ist oder ob es nur ein Hinweis auf seinen Herkunftsort ist, muss offenbleiben.

Hans North, Bürger alhier (Schwaigern 1616)
Hans North, Bürger alhier (Schwaigern 1616)

In den Kirchenbüchern von Nordheim erscheint „Nordheim, Norten“ usw. als Familienname nicht. In der Phase der Entstehung von Familiennamen als Ergänzung zu einem Vornamen bekamen von Auswärts zugezogene Einwohner einen Zusatz, der auf ihre Herkunft hinwies wie z.B. Hofen, Michelbach, Diefenbacher usw. Einen Einheimischen, der allen bekannt war und der schon immer hier wohnte, musste man nicht zusätzlich noch als „Nordheimer“ bezeichnen. Er erhielt eher einen Namenszusatz in Bezug auf seine Wohnlage, seinen Beruf oder nach seinem Aussehen: Bach-Hans, Hofbauer, Jakob Weber, Kunz Schneider, Groß-Hans, Bertsch Lang usw.

Ein anderer, besonderer und interessanter Sachverhalt liegt nun bei den in Schwaigern vom 15. Jahrhundert bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts erscheinenden Formen und Abwandlungen des Namens „Nordheim“ vor, allerdings ohne den Zusatz der Präposition „von“:

Paulus North und seine Frau Elisabeth, Taufbuch Schwaigern 1690
Paulus North und seine Frau Elisabeth, Taufbuch Schwaigern 1690

In einem Schwörbrief vom 25.9.1408 legen 158 Bürger von Schwaigern eine eidliche Verpflichtung gegenüber den Brüdern Eberhard, Hans und Reinhard von Neipperg (Nypperg) ab, dass sie ohne deren Einwilligung die Stadt mit ihren Frauen und Kindern nicht verlassen. In dieser Urkunde tauchen mehrere Namen mit Ortsbezug auf: Bertsche Stockheym, Heinz von Hoffen, Burkart Weyller, Henslin Stertzbach. Vier Namen weisen auf Nordheim als Herkunftsort hin: Heinz Northan, Konrad Northan, Bertsch Northan und Hans Northann [sic!] haben diesen Treueeid unterschrieben. Trotz der nicht korrekten Schreibweise sind diese Namen eindeutig auf „Nordheim“ bezogen, da 1471 in Unterlagen zu Schwaigerner Weinbergen auf Nordheimer Markung ähnliche Namen als Eigentümer auftauchen. Damals besaßen etwa 130 Bürger aus Schwaigern etwa 160 Morgen (etwa 50 ha) Weinberge auf Nordheimer Markung. Als „Nordheim-Namen“ sind 1471 überliefert Mathias Northeim, Peter Northeim, Bertsch Northeim.

In den Kirchenbüchern von Schwaigern findet man zahlreiche weitere Personen mit Bezug zum Ortsnamen „Nordheim“ in unterschiedlicher Schreibweise: Northein, Northa, North, Nort, Norten. Wie die Schreibung selbst innerhalb einer Familie variiert, zeigt das Beispiel eines der letzten Träger dieses Örtlichkeitsnamens in Schwaigern, Paulus North (*28.2.1690, +15.3.1735). Er war der Sohn des Zimmermanns Daniel Norta (*1664). Dessen Vater war Egidius Northa (*1618), und sein Vater war Peter Nort (*vor 1600, +1635).

Heiratseintrag von Hanß North, der am 14.8.1616 Magdalena Schweicker heiratete, die Witwe des Hanß Schweicker. Wörtlich: Den 14. Augusti, Hanß North, Bürger alhier, und Magdalena, Hanß Schweickers seelig hinterlaßene Wittib
Heiratseintrag von Hanß North, der am 14.8.1616 Magdalena Schweicker heiratete, die Witwe des Hanß Schweicker. Wörtlich: Den 14. Augusti, Hanß North, Bürger alhier, und Magdalena, Hanß Schweickers seelig hinterlaßene Wittib
Geburts- bzw. Taufeintrag des Hanß Paulus Northa, geboren am 28.2.1690. Die Eltern waren Daniel Norta und Elisabetha geborene Bechtold. Paulus war das älteste von 7 Kindern der Familie, er wurde Zimmermann wie sein Vater.
Geburts- bzw. Taufeintrag des Hanß Paulus Northa, geboren am 28.2.1690. Die Eltern waren Daniel Norta und Elisabetha geborene Bechtold. Paulus war das älteste von 7 Kindern der Familie, er wurde Zimmermann wie sein Vater.
Von dem oben genannte Paulus Northa, verheiratet mit Elisabetha, lässt sich noch ein Kind nachweisen, Christianus North, geboren am 5.5.1734. Danach verlieren sich die Spuren dieses Namens in Schwaigern.
Von dem oben genannte Paulus Northa, verheiratet mit Elisabetha, lässt sich noch ein Kind nachweisen, Christianus North, geboren am 5.5.1734. Danach verlieren sich die Spuren dieses Namens in Schwaigern.

Dieses mehrfache Vorkommen des Namens Norta, Northein etc. im Nachbarort Schwaigern deutet auf eine Zuwanderung von Nordheim nach Schwaigern hin. In der Namenforschung geht man davon aus, dass bis etwa um das 11. Jahrhundert nur der Taufname (Vorname) üblich war. Erst im Verlauf des 12. und 13. Jahrhunderts fand dann die Bildung von Familiennamen als Zusatz zu dem bis dahin allein üblichen Taufnamen statt. Das würde in diesem vorliegenden Fall bedeuten, dass diese Wanderungsbewegung nach Schwaigern schon sehr früh stattgefunden hat, lange bevor Nordheim zu Württemberg kam (das war um 1380). In dieser frühen Phase der Namensentwicklung genügte bei zunehmender Einwohnerzahl ein einfacher Taufname (Vorname) nicht mehr, um eine Person in der Öffentlichkeit zu kennzeichnen. Im Laufe der Zeit bildeten sich verschiedene Gruppen von Nachnamen heraus, u.a. die Gruppe der Namen nach dem Herkunftsort eines Menschen. So könnte der Name der Schwaigerner Einwohner, die aus Nordheim stammten, sich zu Northein, Northa entwickelt haben. Zu bedenken ist dabei, dass zu dieser Zeit die einfachen Menschen weder lesen noch schreiben konnten. Geschriebene Namen kamen nur in Urkunden vor, und die benötigten solche Menschen nicht. Als man schließlich begann, Namen aufzuschreiben, schrieb jeder den Namen so auf wie er gesprochen bzw. gehört wurde und wie er des Schreibens kundig war. Und Beides konnte sehr unterschiedlich sein, was dann zu diesen verschiedenen Varianten in der Schreibung geführt hat (so z.B. auch Härtner-Hertner, Olhäuser-Olnhausen, Bechtolf-Bechtold usw.)

Ob diese sehr früh nach Schwaigern aus Nordheim zugewanderten Bürger auch etwas mit dem bis vermutlich ins 13. Jahrhundert zurückreichenden Besitz zahlreicher Schwaigerner Weinberge auf Nordheimer Markung zu tun hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Ganz ausschließen kann man das aber nicht.

Auch heute noch gibt es viele Verbindungen zwischen Nordheimer und Schwaigerner Familien, vor allem bei Familien aus dem Bereich Landwirtschaft und Weinbau. Der Heuchelberg mag zwar eine landschaftliche Trennlinie sein, die Menschen auf beiden Seiten des Berges fanden und finden aber seit Jahrhunderten immer wieder zueinander.

Heuchelberg aus der Luft mit Blick Richtung Westen
Heuchelberg aus der Luft mit Blick Richtung Westen

Ulrich Berger

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