Mitteilungsblatt Nordheim
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Wurzeln schlagen in Nordheim
Erfasst von: Redaktion, Schweiker, Beate | 12.09.2024 – 01.10.2024
Wurzeln schlagen in Nordheim
Familiengeschichte von Morial, Mari, Anna, Maria, Sofi und Bryan
Entgegen seinen ursprünglichen Plänen in Dänemark oder Italien zu studieren, hat Morial (41 J.) 2006 in der Ukraine einen Studienplatz bekommen und die Chance wahrgenommen, seine Heimat Kamerun zu verlassen und nach Europa zum Studieren zu kommen. Dort hat er nach 4 Jahren den Bachelor-Abschluss in Elektromechanik erworben. Während des Studiums kam ihm seine Sprachbegabung zugute und so konnte er mit Sprachnachhilfe zum Lebensunterhalt seiner in der Ukraine gegründeten Familie beitragen. 2008 kam Anna, seine erste Tochter, auf die Welt.
Nach einem Jahr Berufserfahrung wechselte er in den Bereich Technische Übersetzung in einer international agierenden Firma mit vielen ausländischen Spezialisten. Hier wurden seine Sprachkenntnisse für Englisch, Französisch, Ukrainisch und Russisch sehr geschätzt. Bedingt durch die weltweite Wirtschaftskrise musste er sich dann anderweitig orientieren und hat daraufhin im Jahr 2014 eine Sprachschule gegründet. 2009 kam Maria auf die Welt und 2019 Sofi. Im März 2022 kam die Familie über Berlin nach Nordhausen, wo sie bei Bekannten aus Kamerun die erste Bleibe gefunden hat.
Heute nach zwei Jahren und ein paar Sprachkursen weiter, arbeitet Morial bei einem Weltmarktführer in Pfedelbach und plant eine Umschulung zum Industrieelektriker.
Morial hat sich mit seiner Familie in Nordheim sehr gut eingelebt, hat eine schöne Mietwohnung gefunden und, was ihn besonders glücklich macht, zwei Gärten für Gemüseanbau. Er schätzt die Hilfe zur Selbsthilfe, nicht Brot zu geben, sondern Brot backen zu lehren, ist für ihn der richtige Weg. Innerhalb der Flüchtlinge aus der Ukraine übernimmt er oft die Rolle des Koordinators und Organisators und hilft, wo er kann, um das Ankommen in Deutschland für diese Menschen zu vereinfachen. Sein Engagement und seine Hilfsbereitschaft werden sowohl von den Flüchtlingen als auch von den Helfern sehr geschätzt, weshalb er manchmal scherzweise als „Bürgermeister“ tituliert wird. Dass die Familie in Deutschland ihr Zuhause gefunden hat, wird durch die Geburt des Sohnes Bryan abgerundet.
Anna (16 J.) hat eben die Mittlere Reife erfolgreich abgeschlossen. Sie ist eine eifrige und gute Schülerin. Sie hat die deutsche Sprache sehr schnell gelernt und geht gerne in die Schule. Von den Lehrerinnen und Lehrern hat sie große Unterstützung erfahren und ist dafür sehr dankbar. Ihr schulischer Weg setzt sich im Herbst auf dem Wirtschaftsgymnasium in Heilbronn, eine Stadt, wo sie sich gerne aufhält und wohlfühlt, fort. Am Anfang war die englische Sprache aber auch ein bisschen in der Ukraine gelerntes Deutsch hilfreich, um Kontakte zu knüpfen und mitzukommen. Anna schätzt die Projekte rund um das Wurzelnschlagen-Haus, wie z.B. das Bemalen der Bahnhofsunterführung oder die Kinderfreizeit im Naturfreundehaus. In Nordheim hat Anna neue Freunde gefunden, aber sie ist doch eher eine Einzelgängerin, die sich gerne mit Computerthemen auseinandersetzt. Mathematik ist ihr Lieblingsfach. Aber auch Kunst, am liebsten IT und Kunst zusammen.
Maria (15 J.) ist seit einigen Wochen in Nordheim bei ihrem Vater angekommen, nach dem sie längere Zeit nicht bei der Familie gelebt hat. Sie kann schon recht gut Deutsch und freut sich wieder auf die Schule in Nordheim.
Sofi (5 J.) geht in den Kindergarten in Nordheim und ist ein sehr temperamentvolles Mädchen. Sie liebt es auf ihrem Roller durch die Gegend zu flitzen, was Mama Mari (37 J.) zur Verzweiflung treibt. Mari ist Spezialistin in Arbeits- und Qualitätssicherheit und möchte bald wieder in ihren Beruf zurückkehren. Nur noch weniger Schritte im Erlernen der Sprache und ein Kita-Platz für Bryan (1 J.) und dann kann die Arbeitsuche losgehen.
Bryan (1 J.) ist in Deutschland geboren und der erste Sohn eines stolzen Vaters!
Die Familie bedankt sich sehr für die Unterstützung von Anbeginn durch Familie Fuchs aus Nordhausen, Angelika, Christoph, den Asylkreis, das Team des Wurzelnschlagen-Hauses, Elke und Uwe sowie die Gemeinde Nordheim und vielen anderen hier.
Morial und seine Familie sind in Nordheim richtig angekommen und können sich ihre Zukunft in Deutschland gut vorstellen. Insbesondere Rassismus und Ausgrenzung, z.B. bei Wohnungs- und Jobsuche sowie im Alltag, ist ihnen hier weitaus weniger begegnet als in der Ukraine.
Langsam eröffnen sich für die Familie neue Perspektiven in Deutschland, sodass der große Wunsch wieder reisen und die Familie in Kamerun besuchen zu können, bald in Erfüllung gehen könnte.
Interview der Familie durch Elke und Luida vom Asylkreis Nordheim, 2024