Mitteilungsblatt Nordheim

Neues aus Nordheim und Nordhausen

Nordheimer Geschichte

Erfasst von: Redaktion, Azubi | 02.09.2024

Aus „Gottfried“ wird „Wilhelm“ - eine kuriose Bildergeschichte

Die Geschichte der Familie Seybold, Vorfahren der Nordheimer von Marval’s, ist spannend und für Nordheim von großer Bedeutung. Zwei Männer ragen bei der Seybold-Familie heraus: Der Ratsschreiber Gottfried Seybold und dessen Sohn, der spätere Geheime Hofrat und belgische Konsul Wilhelm Seybold.

Im Gemeindearchiv gibt es einige Exponate aus dem Bestand und der Erbmasse der Familien von Seybold und von Marval. Darunter sind neben verschiedenen Gegenständen auch einige mit Ölfarbe auf Leinwand gemalte Portraits. Eines dieser Bilder zeigt Wilhelm von Seybold, den Erbauer unseres Rathauses, des Kindergartens und des „Schlössles“ in den Neckarweinbergen im Jahr seines Todes 1874. Dieses Gemälde wird derzeit restauriert und soll am 10. September im Rahmen eines Bildervortrages anlässlich des 150. Todestages von Wilhelm Seybold nach der Restauration öffentlich präsentiert werden.

Interessant ist die Geschichte eines weiteren Seybold-Portraits, das bisher Gottfried Seybold, dem Vater von Wilhelm Seybold, zugeschrieben wurde. Er war der erste Seybold in Nordheim und von Beruf Ratsschreiber. Der Eigentümer dieses Bildes hat das Bild als Dauerleihgabe per Vereinbarung im Jahr 2008 der Gemeinde Nordheim überlassen.

Das Bild ist rechts unten signiert von Barthelemy Vieilleroy, ein Künstler, der im Raum Antwerpen und Lüttich nachgewiesen ist (*1789 +1855), Anvers 1829.

Anvers ist der französische Name für Antwerpen. Nach dieser Angabe ist davon auszugehen, dass dieses Portrait 1829 in Antwerpen gemalt wurde. Das Bild zeigt einen jungen Mann mit Brille. Wilhelm Seybold arbeitete in der Zeit von 1817 bis 1829 in Antwerpen. Gottfried Seybold, der Vater von Wilhelm, starb bereits 1816 in Nordheim. Wer ist nun der junge Mann auf dem Bild tatsächlich? Laut der schriftlichen Vereinbarung von 2008 bzw. dem Überlassungsvertrag handelt es sich bei dem Motiv um den Ratsschreiber Gottfried Seybold. Gleich im ersten Punkt dieser Vereinbarung steht zu lesen:

Doch beide Aussagen „unbekannter Maler“ und „Ratschreiber Gottfried Seybold darstellend“ sind nach derzeitigem Stand falsch. Begründung: Der Maler des Bildes ist nicht unbekannt, das Bild ist signiert und datiert. Alle Indizien weisen darauf hin, dass die dargestellte Person Wilhelm Seybold ist.

Die Lösung dieses Rätsels wurde im Juli 2024 auf der Rückseite des Gemäldes unter einer Abdeckung aus Pappe entdeckt. Als rückseitiger Schutz für die Leinwand hat man vermutlich bei der letzten Restaurierung des Bildes einen dünnen, weißer Pappkarton aufgeschraubt. Die Entfernung dieses Kartons lieferte die endgültige Lösung dieses Rätsels: Die dargestellte Person ist Wilhelm Seybold. Mit schwarzer Farbe wurden in französischer Sprache die wichtigsten Daten zu Wilhelm Seybold von hinten auf die Leinwand geschrieben:

Wilhelm J.F. Seybold nè te 2. Mai 1799 a Nordheim Würtemberg † in Stuttgart 9. Sept 1874 Nègociant à Anvers èt Heilbronn (= Kaufmann/Händler in Antwerpen und Heilbronn) (Text jetzt übersetzt) Königlich Belgischer Konsul, Mitglied der Kammer der Abgeordneten in Württemberg Träger des belgischen Leopoldsorden Commenthurkreuz des König Friedrichs Ordens verheiratet mit Amalie von den Velden aus Frankfurt Vater von Agathe de Marval
Wilhelm J.F. Seybold nè te 2. Mai 1799 a Nordheim Würtemberg † in Stuttgart 9. Sept 1874 Nègociant à Anvers èt Heilbronn (= Kaufmann/Händler in Antwerpen und Heilbronn) (Text jetzt übersetzt) Königlich Belgischer Konsul, Mitglied der Kammer der Abgeordneten in Württemberg Träger des belgischen Leopoldsorden Commenthurkreuz des König Friedrichs Ordens verheiratet mit Amalie von den Velden aus Frankfurt Vater von Agathe de Marval

Eventuell stammt die Aufschrift von der Tochter Agathe von Marval aus Neuchatel. Diese Niederschrift ist mit Sicherheit erst nach dem Tod von Wilhelm Seybold 1874 angebracht worden, da das Todesjahr in gleicher Schrift eingetragen ist (also nicht nachträglich).

Wer dieses Bild wann dem Gerichtsschreiber Gottfried Seybold zugeschrieben hat, lässt sich nicht mehr feststellen. Sehr erfreulich ist nun, dass außer dem Altersbild von Wilhelm Seybold aus dem Jahr 1874 nun auch ein Bild des jungen Seybold aus dem Jahr 1829 vorhanden ist. In diesem Jahr siedelte er im Alter von 30 Jahren von Antwerpen nach Verviers (Belgien) über, dort war ein weltweit bekanntes Zentrum des Wollhandels und der Textilindustrie. Seybold beteiligte sich dort an einem Tuchgeschäft und unternahm von Verviers aus eine große Reise nach Spanien um dort Wolle einzukaufen.

In den Jahren seiner Abwesenheit ließ er in Nordheim ab 1828 immer wieder entweder durch seine Mutter oder durch seinen Schwager Gottfried Uhland Grundstücke in seinem Namen aufkaufen. Sein erstes Haus erwarb er 1832, es war das Gebäude Entengasse Nr. 137 gegenüber der Oberen Mühle (späterer Kindergarten), ein landwirtschaftliches Anwesen. In den 1830er und 1840er Jahren wechselten in Nordheim viele Grundstücke ihren Besitzer. Es wurde viel gekauft, verkauft und auch zwangsversteigert. Es gab auf der einen Seite sehr arme, notleidente Menschen. Andererseits aber auch einige wohlhabende Menschen mit reichlich Kapital, zudem gab es auch Spekulanten. Alle getätigten Verkäufe wurden im Kaufbuch mit allen Modalitäten genau festgehalten. Sämtliche Kaufbücher ab 1677 bis zum Jahr 1900 sind im Gemeindearchiv vorhanden.

Um 1834 kehrte Wilhelm Seybold nach Württemberg bzw. Nordheim zurück. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Vielleicht war das Lebensende der Mutter absehbar. Im Jahr 1834 übernahm er das elterliche Haus für den Betrag von 3000 Gulden. Am 18. März 1834 starb seine Mutter Susanne Seybold geb. Herrlinger an einer Lungenentzündung im Alter von 71 Jahren. Wilhelm Seybold kümmert sich nun um die Verwaltung der angekauften Gebäude und Güter in Nordheim und um das elterliche Erbe. Am 07.03.1835 heiratete Wilhelm Seybold in Frankfurt Amalie von den Velden, die Tochter des Frankfurter Bankiers Reinhard von den Velden und dessen Frau Johanna Amalie geb. Scharf.

Nach seiner mehrjährigen Tätigkeit in verschiedenen Firmen und Ländern suchte

Wilhelm Seybold nach seiner Rückkehr in die Heimat und nach seiner Heirat ein neues Betätigungsfeld. In Nordheim gab es dafür keine entsprechende Möglichkeit. Die Führung eines landwirtschaftlichen Gutes war nicht sein Ziel, außerdem war er dafür als gelernter Kaufmann auch nicht sonderlich geeignet. Seybold erbaute zwar 1834 einen neuen Stall mit Scheune, die er 1847 erheblich vergrößerte. Beruflich hatte er aber andere Pläne. Mit Hilfe von seinen guten familiären und geschäftlichen Verbindungen zur Heilbronner Unternehmerwelt war er für einige Jahre in Heilbronn geschäftlich und politisch engagiert. Schließlich siedelte die Familie 1849 nach Stuttgart über, wo Seybold nun bis zu seinem Tod 1874 auch lebte. Die Familie Seybold bewohnte in Stuttgart ein großes, herrschaftliches Anwesen auf einem 6,5 ar großen Platz mit diversen Nebengebäuden in der Schlossstraße 20.

Schon bald nach der Übersiedelung nach Stuttgart reiften die Pläne für einen repräsentativen Landsitz mit Park in Nordheim. 1854 ließ Seybold das elterliche Wohnhaus abbrechen und errichtete südlich davon ein stattliches Landhaus, unser heutiges Rathaus. Um seine Idee eines Parkes rund um dieses Haus verwirklichen zu können, kaufte er in den Jahren 1854 bis 1856 systematisch viele kleine Parzellen rund um sein Anwesen im „Brühl“ von unterschiedlichen Besitzern. Dieses neue Landhaus in Nordheim diente künftig der Familie Seybold, die in Stuttgart in der Innenstadt wohnte, als Sommerhaus und Ausflugsdomizil, z.B. auch für Besuche während der Weinlese. Auch die in Stuttgart wohnenden Urenkel Kurt und Gabriele von Marval nutzten gerne dieses Landhaus mit dem großen Garten- und Parkgelände.

Vor 150 Jahren starb am 9. September 1874 in Stuttgart der Geheime Hofrat und belgische Generalkonsul Wilhelm von Seybold. Mit einem Bildvortrag am 10. September soll zu seinem 150. Todestag an einen Mann erinnert werden, der sich große Verdienste für Nordheim erworben hat. Unser Rathaus, der Park, der Kindergarten Hauptstraße und das „Schlössle“ in den Neckarweinbergen beim Bahnhof sind noch erhaltene äußere Spuren der Erinnerung an diese Persönlichkeit. Das durch Wilhelm Seybold und dessen Frau Amalie geb. von den Velden im 19. Jahrhundert erworbene und erschaffene Vermögen kam bereits schon früher und kommt auch heute noch der Bevölkerung von Nordheim auf vielfältige Art und Weise zu Gute, auch durch das Wirken seines Urenkels Kurt von Marval.

Das Gebäudeensemble des von Seybold‘schen / von Marval’schen Hofgutes

Mit zahlreichen Bildern und Dokumenten wird an diesem Abend im Sitzungssaal über das Leben und Wirken dieses 1799 in Nordheim geborenen und am 9. September 1874 in Stuttgart verstorbenen Handelsmannes, Politikers und Mäzen berichtet. Im Anschluss an den Vortrag lädt die von Marval’sche Stiftung zu einem Gedankenaustausch im Rahmen eines Ständerlings ein. Dabei kann auch das in diesem Sommer von der Heilbronner Diplom-Restauratorin Sophie Richter restaurierte Portrait von Wilhelm Seybold aus der Nähe betrachtet werden. Frau Richter wird über die Restaurierung dieses Bildes berichten.

Die Gemeinde Nordheim, die Marval’sche Stiftung sowie der Heimatverein Nordheim laden sehr herzlich zu dieser Veranstaltung ein.

Termin: 10. September 2024

Ort: Sitzungssaal im Park

Beginn: 19.00 Uhr

Ulrich Berger

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