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Mitteilungsblatt Nordheim

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Geschichte des Monats Dezember 2020

Erfasst von: Redaktion, DS | 03.12.2020 – 10.12.2020

Die Nordheimer Nicolauskapelle – auf den Spuren der ehemaligen Nikolauskapelle im östlichen Teil der Nordheimer Markung

Dass am 6. Dezember Nikolaustag ist, weiß bei uns jedes Kind. Dass es in Nordheim vor sehr langer Zeit eine Sanct-Nicolaus-Kapelle gab, weiß fast niemand mehr. Spuren dieser Kapelle finden wir in alten Flurnamen wie Kapellenäcker, Kapellengärten, Kapellenbrunnen und Cappelbach. Auch finden sich in alten Steuer- und Lagerbücher bei der Lagebeschreibung von Grundstücken Hinweise auf diese Kapelle. Der älteste schriftliche Hinweis steht im Zusammenhang mit einer Stiftung und stammt aus dem Jahr 1307: Der Wimpfener Dekan Gerold stiftete am 18. Oktober 1307 für eine Pfründe in der Wimpfener Stiftskirche zwei Gefäße mit Wein und seinen Weinberg in der Nordheimer Flur „Hebsack“ für zwei ewige Lichter zu Ehren der Heiligen Bartholomäus und Nikolaus in Nordheim. Beide genannte Heilige waren demnach in Nordheim zu Beginn des 14. Jahrhunderts „präsent“. Als Kirchenpatrone waren sie in dieser Zeit allgemein bekannt und beliebt. Warum gerade diese beiden Heiligen in Nordheim in Erscheinung traten, ist unklar.

 

Bartholomäus gilt unter anderem als Schutzheiliger der Schäfer und Weingärtner (Metzger, Buchbinder, Bauern, Schumacher, Schutzheiliger von Friedhofskapellen usw.). Das Attribut des Messers in der Hand von Bartholomäus, das auf sein Martyrium hinweist, wurde im Volksbrauch fälschlicherweise als Rebmesser missdeutet. So wurde Bartholomäus neben Urban und Kilian auch Schutzheiliger für den Weinbau. In dieser Bedeutung ist er vermutlich auch als Patron der Nordheimer Kirche zu verstehen. Dem heiligen Nicolaus war eine Feldkapelle auf der Nordheimer Markung geweiht.

Nicolaus von Myra wirkte in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts als Bischof Myra in der kleinasiatischen Region Lykien, heute Türkei. Während der Christenverfolgung wurde er im Jahr 310 gefangen genommen und gefoltert. Quellen zufolge hat er am ersten ökumenischen Konzil der Kirchengeschichte in Nizäa im Jahr 325 teilgenommen. Den heilige Nicolaus kann man schon fast als „Universalheiligen“ bezeichnen, da er als Beschützer für fast alles zuständig ist: Er ist Schutzheiliger der Kinder, der Schüler, Mädchen, Jungfrauen und alten Menschen, der Ministranten, Feuerwehr, der Pilger und Reisenden, der Gefangenen; der Apotheker, Richter, Rechtsanwälte und Notare, Kaufleute, Bäcker, Müller, Korn- und Samenhändler, Metzger, Bierbrauer, Schnapsbrenner, Wirte, Weinhändler, Fassbinder, Parfümmacher, Fährleute, Schiffer, Matrosen, Fischer, Flößer, Brückenbauer, Bauern, Weber, Spitzen- und Tuchhändler, Steinmetze, Steinbrucharbeiter, Knopfmacher, Kerzenzieher u.v.m. Welche Rolle er in Nordheim spielte und warum ihm hier eine Feldkapelle geweiht war, bleibt wohl im Dunkel der Geschichte verborgen. Allein die Lage am Weg zur Mühle könnte ein Hinweis darauf sein, dass er an dieser Stelle am Mühlweg als Schutzpatron der Bauern, Müller und Bäcker verehrt wurde. Der Mühlweg ist ein sehr alter Weg. Die Mühle selbst wird bereits 1372 anlässlich einer Stiftung des Edelknechtes Reinbot von Klingenberg und dessen Frau Agnes erwähnt.

 

Der Versuch, diese Nicolauskapelle zu lokalisieren, ist sehr schwierig, da es nicht viele und vor allem wenig konkrete Hinweise gibt. Eine Ursache dafür sind die Aktenverluste beim Brand des Rathauses 1693 und der Verkauf von etwa 1000kg Akten als Altpapier um 1900. Sammelt man jedoch alle noch vorhandenen Hinweise und überprüft sie entsprechend, so gibt es zumindest eine Tendenz, wo diese Kapelle früher einmal gestanden haben könnte. Als Flurnamen oder Bezeichnung sind überliefert: Kapellenäcker, Kapellengärten, Kapellenbrunnen, Cappelbach (1731), Kapellenhöhe (1731). Außerdem findet man in verschiedenen Quellen folgende Hinweise:

 

- 1615 wird ein Garten bei „St. Niclaußen Capell“ genannt, 1712 lag dieser Garten bei der Niclauskapelleund einem Gäßlin, ein deutlicher Hinweis auf die Nähe zum Ort

- Garten bei St. Nicolaus u. dem Gässchen (1836, Parzelle 4032)

- Wiese, jetzt Garten unter der Kapell oder Kirchhof-Weingärten, neben Mühlweg u. Mühlgraben

  (Parz. 4030)

- unter der Cappell, zwischen Mühlweg und Heilbronner Hofwiesen (1721)

- Krautgartten bey der alten Cappel (um 1600)

- Stück Garttens bey der alten Cappell, mag der Früehmeß selbst genossen (um 1600)

- Wisenstücklin bey der Capell, zwischen Laux Langen Wisen und Joachim Preißen Gartten

  gelegen, stoßt oben uff der Früehmeß Gartten unnd unnden uff denn Güßgraben (1570)

- Wiese unter der Kapell (Parz. 4027, 1836)

 

Aus diesen Angaben lassen sich einige Schlüsse ziehen:

1. Die Kapelle lag erhöht, Gärten und/oder Wiesen lagen tiefer

2. In der Nähe der Kapelle war ein Gässchen

3. Bach, Mühlweg und „Kirchhof-Weingärten“(?) befanden sich in der näheren Umgebung

 

Die vorhandenen Spuren, die durch Flurnamen und durch die Lagebeschreibungen von Grundstücken greifbar sind belegen, dass es diese Kapelle früher tatsächlich gab. In den älteren Schriften werden nur die Lage sowie die Angrenzer eines Grundstückes in Worten beschrieben. Die Parzellennummern entstanden erst mit der Landesvermessung in den 1830er Jahren. Sie wurden für diese Recherche hergeleitet aus den ältesten Steuer- und Güterbüchern des Gemeindearchivs und können deshalb nur ungefähr mit der Position der Kapelle in Verbindung gebracht werden. Es gab in diesem Flurbereich im Laufe der Zeit auch Veränderungen bei der Nutzung, so wurden aus Wiesen z.B. Gärten. Die Kapelle ist vermutlich spätestens nach der Reformation abgegangen, sonst hätten sich mehr und konkretere Spuren in den Quellen erhalten. Nordheim hatte im 16. Jahrhundert etwa 450 Einwohner, hundert Jahre vorher waren es nur etwa 200 Einwohner. Das „alte“ Nordheim endete am unteren Tor, etwa da, wo die Kirchstraße nach rechts von der Hauptstraße abzweigt. Die Obere Gasse lag vor dem unteren Tor und entstand später, die Straße zum Bahnhof wurde erst 1848 ausgebaut.

Wenn mehrmals die Bezeichnung „unter der Kappell“genannt wird, müsste die Lage der Kapelle gegenüber diesen Grundstücken höher gelegen sein. Außerdem wird ein „Gäßchen“ erwähnt und die Nähe von Mühle sowie Friedhof. Zusammen mit den ermittelten Parzellennummern ergibt sic h dann folgende Situation:

 

 

Auch auf dieser Karte aus der Zeit um 1765 ist die kleine „Gasse“ an der Verzweigung des Weges nach Heilbronn und dem Weg zur Mühle erkennbar. Dieses Gässchen 

könnte bei der Lagebeschreibung „…Garten bey S. Nicolaus neben Balthas Wagner und dem Gäßchen   “ gemeint sein. Noch heute ist ein Teil des früheren Weges bzw. das „Gässchen“ in der Karte erkennbar und ist Eigentum der Gemeinde Nordheim (Garten bey S. Nicolaus neben Balthas Wagner und dem Gäßchen). Dieser schmale Streifen diente entweder der Entwässerung des Geländes hin zum Bach oder auch als Zugang an den Bach zum Wasserholen („Güßgraben“, 1570).

 

 

 

 

 

 

 

Der „Heilbronner Weg“ war vor Jahrhunderten als Fahrweg unbedeutend, er führte bis zum Landgraben an der Markungsgrenze zu Klingenberg, dieser konnte dort nur zu Fuß überquert werden. Eine Straße nach Heilbronn gab es erst mit dem Bau der „Zabergäuchaussee“ um 1817/18. Davor mussten

Fuhrwerke über den „Grasigen Weg“ (heute „Klimmerdingen“) bis zum Landturm (ein Zollturm) auf der Höhe zwischen Nordheim und Großgartach fahren und von dort führte die Straße durch Großgartach weiter nach Heilbronn.

 

 

 

 

 

 

Für die vermutete Lage der Nicolauskapelle sprechen folgende Hinweise: Die Steigung der Straße/früher Weg fällt nach Osten und Westen ab, das bedeutet, die Position liegt etwas erhöht. Die Wiesen oder Gärten lagen „unter der Cappell“. Hinzu kommt das heute im Ansatz noch vorhandene, aber inzwischen in Vergessenheit geratene „Gässchen“ östlich der Siegeshalle bzw. der Metzgerei Geiger.

Der Friedhof wurde um 1574 in diese Gegend am damaligen Mühlweg außerhalb des Ortes verlegt. Zu dieser Zeit könnte die Kapelle auf Grund der Reformation schon beseitigt gewesen sein, denn Feldkapellen und Bildstöcke ließ man nach der Reformation in nicht mehr katholischen Gebieten und Ortschaften verfallen oder sogar einreißen. Im Mai 1555 erließ der damalige Herzog Christoph einen Befehl, solche noch vorhandenen „Feldgötzen und Michelskirchen oder Kapellen“ ausfindig zu machen und abzubrechen. Darüber, ob die Nicolauskapelle mit der bis zur Reformation vorhandenen Frühmesserstelle in Verbindung stand, kann nichts ausgesagt werden.

 

Die Nordheimer Sankt Nicolauskapelle ist in den Quellen und in der Erinnerung nahezu völlig verschwunden, obwohl sie wahrscheinlich über mehrere Jahrhunderte existierte. Woher sie kam, warum sie dem heiligen Nicolaus geweiht war und wann sie verschwand, bleibt im Dunkel der Vergangenheit verborgen. In Lauffen gab es an der Heilbronner Straße ebenfalls eine sehr alte St. Nicolauskapelle im „Städtle“ aus der Gründerzeit der Stadt um das Jahr 1200. Den Heiligen Nicolaus bringt man in Lauffen in Verbindung mit der Lage am Fluss, er ist der Schutzpatron der Schiffer, Fährleute und Fischer – diese Verbindung ist in Nordheim nicht gegeben. Im 19. Jahrhundert geriet die Lauffener Nicolauskapelle weitgehend in Vergessenheit, man missbrauchte die Kapelle sogar als Lagerraum. Durch Unwissenheit wurde aus ihr schließlich die „Martinskapelle“, die am 11. November 1884 nach einer Renovierung ihre Einweihung feiern konnte. Aus der ursprünglichen, sehr frühen Martinskirche in Lauffen (742) auf dem „Kirchfelsen“ war im Laufe der Geschichte inzwischen die Regiswindiskirche geworden.

                                                                                                                                  Ulrich Berger

 

 

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