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Mitteilungsblatt Nordheim

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„Geschichte“ des Monats Februar:

Erfasst von: Widenmeyer stillgelegt, Lisa | 08.02.2018 – 22.02.2018

Vom „Ortsbüttel“ zu den „Nordheimer Mitteilungen“

 

Für die korrekte und sachgerechte Erledigung ihrer Aufgaben war es schon seit jeher wichtig für eine Gemeinde, dass sie ihre Bürger über deren Rechte und Pflichten informierte. Das geschieht in Nordheim heute vor allem über zwei Wege:

                                                                                            An der Rathaustüre und am „schwarzen
                                                                                            Brett“ am Rathaus wurden Bekannt-
                                                                                            machungen ausgehängt.

Erstens über das Internet, wo auf der Seite der Gemeinde (www.nordheim.de) alles Wichtige über Nordheim zu erfahren ist. Zweitens über das amtliche Mitteilungsblatt, mit dem die Bürger umfassend unterrichtet werden. Das war nicht immer so. Wie informierte die Gemeinde ihre Bürger vor der Zeit des Internets und vor dem Erscheinen des ersten amtlichen Mitteilungsblattes?

 

In alten Zeiten wurden wichtige Bekanntmachungen vor dem Rathaus (manchmal auch vor der Kirche) verlesen bzw. ausgerufen. Als Zeichen dafür, dass die Obrigkeit etwas Wichtiges für die Untertanen zu verkünden hatte, erklang die Rathausglocke. Die Einwohner hatten daraufhin in der Ortsmitte zu erscheinen. Die Bekanntmachungen wurden dann vor dem Rathaus vorgelesen oder an der Rathaustüre „angeschlagen“. Da früher nicht jeder Bürger lesen konnte, war das Ausrufen notwendig, um alle Einwohner zu erreichen.

Mit Zunahme der Einwohnerzahl und mit der Vergrößerung des Dorfes wurden andere Maßnahmen zur Information der Einwohner erforderlich. Bereits seit 1807 gab es in Württemberg bei den in den Gemeinden angestellten niederen Gemeindedienern oder Unterbeamten (z.B. Waldmeister, Fronmeister, Fleischbeschauer, Polizeidiener) das Amt des Amtsdieners oder Amtsboten, im Volksmund auch Büttel genannt. Der Ortsbüttel (Dorfschütz) hatte die Aufgabe, alle Aufträge, die der Schultheiß für ihn hatte, auszuführen. Dazu gehörte das Überbringen von Nachrichten an Gemeinderats- und Bürgerausschussmitglieder sowie das Ausrufen von Verordnungen, neuen Gesetzen und anderen Verkündigungen. Dazu musste er mit einer Glocke durch das ganze Dorf gehen, alle 25-30 Schritte stehenbleiben und die Bekanntmachung laut und deutlich aus dem „Verkündbuch“ vorlesen, auch in den NebenGaßen, damit sich Niemand mit Unwißenheit entschuldigen konnte. Ebenfalls zu seinen Dienstpflichten gehörten das wöchentliche Reinigen des Rathauses und das Einheizen der Öfen dort. Am Schluss seines Anstellungsvertrages vom 3. Juli 1868 wird dem neu verpflichteten Amtsdiener Johann Conrad Kern noch besonders eingeschärft, daß er sich stets eines bescheidenen und nüchternen Lebenswandels zu befleißigen habe.                                        Die „Ausschellglocke“

 

Als 1872 das Königliche Oberamt Brackenheim wegen der Einführung des Strafgesetzbuches im Deutschen Reich vom Nordheimer Gemeinderat eine Revision der feld- und ortspolizeilichen Vorschriften verlangte, wurde im Zuge dieser Revision auch die Praxis der Bekanntmachungen abgeändert: Der Gemeinderat hatte diesbezüglich am 20.12.1872 beschlossen:

Die Verkündigung der feld- und ortspolizeilichen Vorschriften durch Anschlag an dem Rathaus und Vorlesen vor der versammelten Einwohnerschaft vollziehen zu lassen, ausdrücklich aber zu bestimmen, daß für die Zukunft die Bekanntmachung orts- oder feldpolizeilicher Vorschriften an die Stelle der Publikation auf dem Rathause das öffentliche Ausrufen in der Gemeinde durch den Amtsdiener treten kann.

 

Es wurden verschiedene Punkte im Dorf fest-gelegt, wo der Amtsdiener künftig mit seiner Glocke und dem Ruf Bekanntmachung … die Menschen zusammenrufen musste, um die neuen Vorschriften auszurufen bzw. vorzulesen. Diese Praxis dauerte bis in die 20er oder 30er Jahre des 20. Jahrhunderts, wobei oft Hunde und Gänse die Begleitmusik zur „Ortsglocke“ machten. Abgelöst wurde dieses Verfahren zur Bürgerinformation durch die Anbringung von etwa 30-40 „Anschlagtafeln“, die über das ganze Dorf verteilt waren. Jetzt musste der Amtsdiener nur sein Blatt anheften und mit der Glocke läuten, dann wussten die Leute Bescheid, dass es Neuigkeiten gibt, die man lesen sollte.

 

Anschlagtafel am Scheunentor des Anwesens
Schlienz, Bahnhofstraße 1

 

Auch konnten die auswärts beschäftigten Einwohner am Abend oder am Wochenende nun die Bekanntmachungen lesen. Amtsboten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren Christian Schaubel, Karl Schwab, Karl Jäger und Adolf Hagmaier. Um die Stelle des Amtsboten als Vollzeitstelle ausweisen zu können, hat die Gemeinde die Amtsbotenstelle mit der Stelle des amtlichen Fleischbeschauers gekoppelt. Die Anzahl der Schlachtungen im Dorf war früher sehr groß, sodass die Stelle des Fleischbeschauers in der Gemeinde sehr wichtig war und den Stelleninhaber auch gut beschäftigte. Im Jahr 1955 gab es z. B. bei den Schweinen 385 Hausschlachtungen und 397 gewerbliche Schlachtungen. Hinzu kamen die Schlachtungen von 111 Rindern und 85 Kälbern. Alle diese Schlachtungen mussten überprüft werden. Ergab die Untersuchung des Fleisches keine Beanstandung, so wurde es durch Bestempeln mit dem amtlichen Fleischuntersuchungsstempel vom örtlichen Fleischbeschauer als tauglich gekennzeichnet und war damit für Verkauf und Verzehr freigegeben.

 

Der letzte Amtsbote und Fleischbeschauer, der noch in den ersten Jahren seiner Amtszeit mit der Glocke ausschellte, war Alfred Weinstok. Er wurde im Juli 1956 zunächst stellvertretend für Adolf Hagmaier angestellt, welcher in den Innendienst der Gemeindeverwaltung wechselte. Weinstok musste 1957 in Ludwigsburg noch eine Ausbildung für das Amt des Fleischbeschauers machen, damit er die Stelle eigenverantwortlich von Hagmaier übernehmen konnte. Während dieser Ausbildung übte Hagmaier weiterhin die Fleischbeschau aus, die Amtsbotengeschäfte übernahm aushilfsweise Friedrich Ley.                       Alfred Weinstok auf seinem Dienstmoped

 

Im Jahr 1959 änderte sich das Bekanntmachungswesen der Gemeinde mit Einführung des Mitteilungsblattes grundlegend. Damit entfiel das Verteilen der Bekanntmachungen des Amtsboten im Dienstauftrag weitgehend. Alfred Weinstok war noch bis 1981 im Dienst und wurde nach 25-jähriger Tätigkeit am 30. Juli 1981 verabschiedet. Bürgermeister Scheffler merkte bei seiner Abschiedsrede an, dass mit Alfred Weinstok die Ära des „Ortsbüttels“ zu Ende gehe. Die Tätigkeit als Fleischbeschauer übte Weinstok noch so lange aus, bis seine Nachfolgerin Klara Schwab die erforderliche Prüfung für dieses Amt abgelegt hatte.

Das erste Mitteilungsblatt der Gemeinde Nordheim erschien am Donnerstag, den 6. August 1959. Die ersten Ausgaben waren kostenlos für alle Haushalte, künftig sollten die „Nordheimer Mitteilungen“ aber im Vierteljahr 1,30 DM einschließlich Trägerlohn kosten. Herausgegeben wurde das Mitteilungsblatt vom Verlag Günter Lütze in Reutlingen. In seinem Geleitwort zur Nr. 1 des Mitteilungsblattes merkt Bürgermeister Karl Wagner an:

Es handelt sich also um keine Zeitung und wird in keiner Weise zu den Tageszeitungen in Konkurrenz treten. Bei den öffentlichen Bekanntmachungen an den Anschlagtafeln wird wegen des Umfangs oft nur auf den Aushang an der Rathaustafel hingewiesen wie bei Gemeindeverordnungen, Satzungen usw. Wer geht schon zur Rathaustafel?

Verhältnismäßig wenige, und dadurch erfahren verhältnismäßig wenige diese meist sehr wichtige Angelegenheiten. Bis jetzt sind die Beschlüsse des Gemeinderats oft nicht oder nicht vollständig bekannt geworden und manchmal hätte sich eine Rückfrage erübrigt. Bei der Größe und ausgedehnten Bauweise des Ortes fehlt die Verbundenheit. Vor allem sind es auch ältere Einwohner gewesen, die schon längere Zeit bemängelten, von den Geburten, Eheschließungen, hohen Geburtstagen usw. nichts zu erfahren …

 

Amtsbotin Klara Schwab

 

Die graphische Gestaltung des Mitteilungsblattes änderte sich mehrfach, anfangs erschienen im Kopf der Titelseite das Ortswappen und das alte Rathaus, ab 1975 kam das Wappen von Nordhausen dazu. Das sollte auch äußerlich die Gleichstellung der am 1.1.1975 eingemeindeten Nachbargemeinde Nordhausen mit Nordheim zeigen.

Seit dem 1.4.1976 wird das „Amtliche Mitteilungsblatt der Gemeinde Nordheim mit Ortsteil Nordhausen“ von der Gemeinde Nordheim und dem Walter-Verlag in Brackenheim-Hausen herausgegeben. 2018 erschien das Mitteilungsblatt im 60. Jahrgang und erfreut sich mit über 3500 Abonnenten nach wie vor großer Beliebtheit. Im Kopf der Titelseite ist seit einigen Jahren kein Wappen mehr abgebildet, sondern das Blumensommerlogo in Farbe. Das Mitteilungsblatt bietet viele Informationen seitens der Gemeindeverwaltung, Nachrichten aus dem Vereinsleben, von Schulen, Kindergärten und Kirchen sowie

Anzeigen aus dem Geschäftsleben und vieles mehr. Trotzdem wird weiterhin ein Amtsbote bzw. eine Amtsbotin benötigt. Seit 1995 versieht Doris Haiber dieses Amt. Da die Fleischbeschau weggefallen ist, ist die Amtsbotenstelle keine Vollzeitstelle mehr. Aber für einen geordneten Dienstbetrieb der Gemeindeverwaltung sind innerhalb und außerhalb des Rathauses täglich viele Botengänge und Erledigungen zu tätigen. Mit Bekanntmachungen hat die Amtsbotin kaum noch zu tun. An den wenigen noch im Ort vorhandenen Anschlagtafeln werden in der Regel nur noch Aushänge über Sterbefälle angebracht, und das Ausrufen und Ausschellen mit der Ortsglocke gehört schon lange der Vergangenheit an.

Doris Haiber am Schreibtisch in der
Botenmeisterstelle im Erdgeschoss des Rathauses

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