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Geschichte des Monats Mai

Erfasst von: Redaktion, WZ | 08.05.2017 – 30.05.2017

 

„Bekämpfung von Schädlingen und Ungeziefer“ Teil 2: Der Maikäfer

 

Gerne erinnern wir uns an die Geschichte von Max und Moritz, in der die Lausbuben im fünften Streich Maikäfer sammeln und sie in Onkel Fritzens Bett stecken. Wer hat nicht selbst früher Maikäfer gesammelt und diese in eine Schachtel gesperrt und mit frischen Blättern versorgt? An massenhaftes Vorkommen des Maikäfers wie in den 50er Jahren können sich allerdings nur noch die älteren Mitbürger erinnern. Maikäfer brachten es damals fertig, ganze Walddistrikte oder Bäume und deren Blüten von Streuobstwiesen kahlzufressen. Verheerend ist dabei auch der Fraß der Engerlinge, die großen Schaden anrichten im Grünland, Obst- und Gemüsebau und in Sonderkulturen. In den 50er und 60er Jahren gab es großangelegte, überörtliche Bekämpfungsaktionen vom einfachen Einsammeln der Käfer bis hin zu Spritzungen mit dem Hubschrauber. Da sich größere Obst- und Waldbäume nicht schütteln lassen, hat das Sammeln wenig Sinn. In der amtlichen Richtlinie zur Maikäferbekämpfung von 1962 heißt es deshalb: “…muss das allgemeine Schütteln und Sammeln als sinnlos abgelehnt werden. Darüber können auch noch so hohe Zahlen von Zentnern gesammelter Maikäfer nicht hinwegtäuschen. Das Maikäfersammeln kann die chemische Behandlung nicht ersetzen!“

 

Problematisch waren die Jahre 1956, 1959 und 1962. Damals hat man tatsächlich Maikäfer eimerweise eingesammelt. Entweder in den Morgenstunden, wenn durch die Kühle die Käfer noch relativ klamm und unbeweglich waren durch Abschütteln vom Baum. Oder in der Dämmerung am Abend, da reichte es aus, in einem Zimmer das Licht anzumachen und das Fenster zu öffnen. Ganze Scharen von Käfern kamen angeflogen, manche Leute haben die Tiere dann einfach mit dem Federballschläger „abgeklatscht“, in einem Eimer gesammelt und mit heißem Wasser übergossen. Anschließend hat man die toten Käfer an die Hühner verfüttert. Das Ergebnis war dann oftmals, dass die Eier ungenießbar waren, weil sie fürchterlich nach Maikäfer rochen und schmeckten! Doch das lag wohl nur an der zu großen Menge der verfütterten Käfer, denn bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Maikäfer in manchen Gegenden tatsächlich nicht nur als Hühnerfutter genutzt, sondern fanden sogar in der Küche Verwendung. In Frankreich und Teilen Deutschlands wurden sie früher geröstet und zu Maikäfersuppe verarbeitet. Zur Zubereitung werden die Maikäfer ohne Flügel und Beine in Butter angeröstet und in Kalbfleisch- oder Hühnerbrühe gegart. Im „Magazin für Staatsarzneikunde“ von 1844 empfahl der Medizinalrat Johann Schneider dieses geschmacklich an Krebssuppe erinnernde Gericht als „vortreffliches und kräftiges Nahrungsmittel“, für das 30 Käfer pro Person gefangen, gewaschen und im Mörser zerstoßen, dann in Butter gebraten und mit Brühe aufgekocht werden. Und er fügte hinzu, dass unter Studenten kandierte Maikäfer eine beliebte Nachspeise gewesen seien.

Essbar sind die erwachsenen Maikäfer jedenfalls, sie sollen nussartig schmecken, und der Geschmack der Larven (Engerlinge) soll an Geräuchertes erinnert.

 

Im April und Mai findet der Hochzeitsflug der Maikäfer statt, anschließend legen die Weibchen die Eier in die Erde ab. Im Juni/Juli schlüpfen daraus die weißlich-cremefarbenen Larven (Engerlinge). Wo diese auftreten, können sie großen Schaden anrichten. Sie fressen an Pflanzenwurzeln, wobei insbesondere Jungpflanzen gefährdet sind. Von der Eiablage über die Phase als Engerling dauert es vier Jahre, bis die Tiere eine vollständige Verwandlung bis zum geschlechtsreifen Tier durchgemacht haben. Ein Verwandter des Maikäfers ist der etwas kleinere Junikäfer, welcher auch den Namen Brachkäfer trägt und ebenfalls als Schädling gilt.

Ein besonderes Maikäferjahr muss wohl das Jahr 1872 gewesen sein. Im Gemeinderatsprotokoll vom 30. April 1872 findet man eine vier Seiten lange Abhandlung über das Problem und die angedachte Lösung, für die man neun einzelne Beschlüsse fasste. „Da die Maikäfer bereits in größerer Menge vorhanden sind und eine Vertilgung derselben mittelst Sammlung der Käfer durch die Grundbesitzer nicht zu dem gewünschten Ziele führen würde, so gibt der Gemeinderath der Sammlung der Maikäfer gegen Bezahlung einer Prämie für die Ablieferung eines bestimmten Quantums den Vorzug, u. faßte nach vorheriger weiterer Berathung den Beschluß:

 

1. Mittelst öffentlicher Bekanntmachung in der Gemeinde die Güterbesitzer auffordern zu lassen alle behufs der Vertilgung der Maikäfer geeigneten Mittel ohne allen Verzug in Anwendung zu bringen u. insbesondere ihre Kinder zur fleißigen Sammlungen derselben, namentlich in den frühen Morgenstunden anzuhalten.

 

2. Für die Ablieferung der gesammelten Maikäfer eine Prämie von 16x pr. Sri. (= Simri, ein altes Hohlmaß, ca. 22 Liter) in lebenden Zustande hiemit zu verwilligen welche jeden Tag an die Lieferanten ausbezahlt werden muß.

 

3. Die Ablieferung der Maikäfer täglich 2 mal erfolgen zu lassen, u. zwar Mittags zwischen 12 u. 1 Uhr u. Abends zwischen 6 u. 7 Uhr.

 

4. Den Gemeindepfleger v. Olnhausen mit dem Einzug der Maikäfer u. Führung des erforderl. Registers zu beauftragen, welcher die Käfer in einem passenden Gefäße messen zu lassen beziehungsweise pflichtmäßig abzuschätzen hat, u. demselben zu Ausführung des Geschäfts den Amtsdiener Müller beizugeben.

 

5. Für dieses außerordentliche Geschäft dem Gemeindepfleger v. Olnhausen eine Belohnung von täglichen 15x u. dem Amtsdiener Müller eine solche von 12x pr. Tag aus der Gemeindekasse hiemit auszusetzen.

 

6. Die gesammelten Maikäfer in Dungwasserzuber verbringen zu lassen, welche mit gut schließenden Deckeln versehen werden müssen, u. diese Deckel für Rechnung der Gemeindekasse anfertigen zu lassen.

 

7. Die Tödung der Maikäfer mittelst siedenden Wassers vorzunehmen u. zwar in der Weise, daß sobald einige Züber mit Maikäfer angefüllt sind durch den Küfer Friedrich v. Olnhausen, in seinem ½ Eir. (= Eimer; 1 Eimer sind ca. 300 Liter) haltenden Branntweinkessel siedendes Wasser bereitet solches über die in den Zubern aufbewahrten Maikäfer gegossen u. die Zuber sofort schnell wieder mit den Deckeln verschlossen werden, was um so leichter ausführbar ist, als die Zuber an der Bach hinter dem Backhause in der Nähe des Brennhauses des Küfers von Olnhausen aufgestellt sind.

(hier ist das Backhaus in der Wassergasse gemeint; die Küferei des Küfers Friedrich von Olnhausen lag etwa da, wo heute der Laden „Willig“ und die „Heuchelberg“ - Apotheke ist; Friedrich von Olnhausen war auch Eichmeister und war der Ur-Urgroßvater des Sonnenwirtes Wolfgang von Olnhausen).

 


 

8. Den Küfer v. Olnhausen zu beauftragen zur erstmaligen Bereitung des siedenden Wassers das erforderl. Holz abzugeben, um die nöthige Erfahrung zu sammeln welche Entschädigung derselbe für die Bereitung pr. Kessel Wasser fordern kann u. sich dießfalls weitere Vereinbarung mit dem Küfer v. Olnhausen vorzubehalten, und

 

9. das Ansinnen an die Ortsschulbehörde zu stellen, über die Zeit der Maikäfersammlung den Schulunterricht statt um 6 Uhr, erst um 9 Uhr Morgens beginnen zu lassen, damit die Schulkinder zur Sammlung von Maikäfern in den Frühstunden verwendet werden können.“

 

Über den Erfolg dieser Aktion ist leider nichts überliefert. In der heutigen Zeit stehen andere Schädlinge und deren Bekämpfung im Mittelpunkt. Meist wurden sie durch Exportwaren eingeschleppt oder durch Transportmittel (Schiffe, Container usw.) aus fernen Ländern, ähnlich wie einst der Kartoffelkäfer. Da bei uns dann die natürlichen Feinde fehlen, werden solche Tiere immer mehr zum Problem für die heimische Tier- und Pflanzenwelt. Solche in jüngerer Zeit aufgetauchten Schädlinge sind z.B. die Kirschessigfliege, die vermutlich 2008 von Asien über Amerika kommend nach Europa eingeschleppt wurde. 2011 wurde sie erstmals auch in Deutschland nachgewiesen und hat sich mittlerweile von Süden nach Norden in gesamt Deutschland verbreitet. Oder der Buchsbaumzünsler, ein ostasiatischer Kleinschmetterling, der zu Beginn des 21. Jahrhunderts aus Ostasien nach Mitteleuropa eingeschleppt wurde. Seine Raupen verursachen große Schäden durch Kahlfraß an Buchsbäumen und sind nur schwer zu bekämpfen. Schließlich auch der Nordamerikanische Ochsenfrosch, der bis zu 20cm groß werden kann und der alles frisst, was er überwältigen kann und so immer mehr zur Gefahr für viele Kleinlebewesen an Land und im Wasser wird.

                                                                                                                                       Ulrich Berger

 

 

 

 

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