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Mitteilungsblatt Nordheim

Neues aus Nordheim und Nordhausen (Archiv)

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„Geschichte“ des Monats Januar 2017:

Erfasst von: Widenmeyer stillgelegt, Lisa | 10.01.2017 – 24.01.2017

Bekannte und unbekannte Cafes in Nordheim

Redet man heute von einem Cafe in Nordheim, ist in der Regel vom Café Sörös die Rede. Das seit 1995 bestehende Geschäft am Platze der früheren Oberen Mühle ist derzeit das einzige Café in Nordheim. Einige Mitbürger erinnern sich aber sicher noch an das beliebte Café Weiß, das von 1955 bis 1976 an der Ecke Lauffener Straße und Hauptstraße von der Familie Weiß betrieben wurde. Dass es aber schon lange vorher an drei verschiedenen Plätzen von insgesamt fünf Betreibern jeweils ein Café in Nordheim gab, dürfte den wenigsten bekannt sein. Deshalb sollen alle Nordheimer Cafés hier einmal vorgestellt werden.

 

Bahnhofstraße 25: Café Morlock

Das älteste in Nordheim nachgewiesene Lokal, das ausschließlich eine Genehmigung „zum Ausschank von Kaffee & alkoholfreien Getränken“ besaß, war das Café Morlock in der Bahnhofstraße 25 (gegenüber der heutigen Bäckerei Hofmann). Das Gebäude wurde 1901 von dem Heizer Jakob Heinrich Morlock (*1852, +1930) erbaut. Mehrmals stellte dieser ein Gesuch zum Betrieb einer Schankwirtschaft mit Ausschank von Wein, Bier und Obstmost: 1901, 1902, 1904, und 1911. Alle Gesuche wurden mit der Begründung abgelehnt, dass die vorhandenen 10 Wirtschaften „für die Bedürfnisse der Gemeinde im ganzen als auch für diejenigen Bedürfnisse der Bahnhofstraße im Besonderen durchaus genügen“. Die 10 Wirtschaften waren: Bahnhofswirtschaft, Siegeshalle, Krone, Sonne, Rose, Alte Rose, Fortuna, Traube, Linde und Adler. Vielleicht wollten die eingesessenen Wirte einfach keine weitere Konkurrenz.

1912 stellt Heinrich Morlock schließlich ein Gesuch „um die Erlaubnis zum Betrieb eines Kaffees mit Verabreichung von alkoholfreien Getränken“, und zwar in den 5 Zimmern des Parterre- und 1. Stocks. Da in diesem Fall beim Ausschank von alkoholfreien Getränken die Bedürfnisse nicht zu prüfen waren, erhielt Morlock am 13.Juni 1912 die Konzession. Am oberen Rand der Akte befindet sich eine Bleistiftnotiz: “eingestellt seit Okt. 22“. Das ist ein Hinweis auf das Ende dieses Lokals, das dann nur etwa 10 Jahre in Betrieb gewesen wäre. Eine Besonderheit dieses Lokals waren die Stühle. Es waren Thonet-Stühle aus der Fabrik der Gebrüder Thonet in Wien. Michael Thonet (1796-1871) entwickelte um 1830 ein Verfahren, mit dem Vollholz (Ahorn, Buche) unter Wasserdampf insbesondere zu Formteilen für Sitzmöbel umgeformt wurde (sogen. „Bugholzstühle“). Drei dieser Stühle sind in Nordheim heute noch vorhanden. Unter der Sitzfläche eines der Stühle klebt noch der Frachtzettel von Wien nach Nordheim für 28 „Designerstühle“.

Thonet - Stühle aus Wien

 

Kelterstraße 19: Café Jäger/Groß/Döbele (heute Wohnhaus Fam. Paul Veigel)

Der Bäckermeister Friedrich (Fritz) Jäger aus Walheim ließ 1925 eine Scheune in der Kelterstraße von Maurer Wirth und Zimmermann Kyriss umbauen zu „Wohn- und Wirtschaftszwecken“. Eine geplante Backstube mit Backofen kam allerdings nicht zur Ausführung. Am 24.7.1925 hatte der Ingenieur Willi Groß die Konzession erhalten „zum Betrieb einer Kaffeewirtschaft mit nichtgeistigen Getränken, sowie den Ausschank von Likör“ in 2 Zimmern des Erdgeschosses in Gebäude Kelterstraße 19. Bereits am 26. Oktober 1925 bat er um Erlaubnis zur Verlegung seines Betriebs in die Lauffener Straße 8 (das spätere Kaffee Kicherer, danach Schuhgeschäft Hertner). Vermutlich machte der Hausbesitzer Jäger dann bis 1931 in der Kelterstraße in eigener Regie weiter.

1931 kaufte der Konditor Hermann Döbele aus Heilbronn das Gebäude. Er gab an, wie der Vorbesitzer Jäger ein Kaffee mit Likörausschank und nichtgeistigen Getränken betreiben zu wollen. Daraufhin erhielt Döbele am 23.3.1931 die Wirtschaftserlaubnis mit der Auflage: „Der Abort im Erdgeschoss ist in deutlicher Schrift als Männerabort zu bezeichnen; ebenso ist der Abort im I. Stock mit der Aufschrift >Frauenabort< zu versehen und am Treppenaufgang gleiche Aufschrift mit Richtungspfeil anzubringen.“ Die Wirtschaftserlaubnis erlosch im April 1934, nachdem der Betrieb seit 2.2.1933 nicht mehr ausgeübt wurde. Hermann Döbele war inzwischen nach Brackenheim gezogen.

Danach übernahm Wilhelm Veigel dieses Anwesen. Er baute 1937 das Gebäude um und richtete sein Geschäft für Sattlerei und Polstermöbel dort ein. 1964 übernahm der Sohn Paul Veigel zusammen mit seiner Ehefrau Marianne den Betrieb.

 

Lauffener Straße 8: Café Groß, Christmann, Kicherer

Im Jahr 1925 erbaute der aus Lauffen stammende Gipsermeister Gottlob Kicherer in der Lauffener Straße 8 ein dreistöckiges Wohn- und Geschäftshaus. Im Erdgeschoss war ein Ladenraum vorgesehen. Für diesen Raum im Erdgeschoss beantragte Willi Groß, der zuvor sein Café in der Kelterstraße 19 betrieben hatte, im Oktober 1925 die Erlaubnis zum Ausschank von nichtalkoholischen Getränken.              Cafe Kicherer, später Schuhhaus 
                                                                                                                Hertner; Lauffener Straße

 

Er erhielt die Genehmigung unter der Auflage, noch einige bauliche Mängel zu beseitigen: „Es ist noch ein weiterer Abort für Männer ein-bzw. anzubauen. In den Aborten sowie im Vorplatz ist elektrische Beleuchtung anzubringen. Zur Ventilation im Wirtschaftsraum sind an den Fenstern um ihre Unterkante einklappbare Oberlichtflügel anzubringen.“

Ein Jahr später beantragte Fräulein Elisabeth Christmann „die persönliche Erlaubnis zum Betrieb einer Kaffeewirtschaft, beschränkt auf den Ausschank von nicht-geistigen Getränken“ in einem Wirtschaftszimmer im Erdgeschoss des Gebäudes Lauffener Straße 8, die sie auch erhält. Bereits im Februar des nächsten Jahres (1927) stellt sie den Antrag, auch Likör ausschenken zu dürfen. Sie begründet den Antrag damit, dass ohne Likörausschank eine Kaffeewirtschaft nicht rentabel sei. Die Kaffeewirtschaft habe guten Zulauf von jüngeren und älteren Personen, auch von Geschäftsleuten, solchen sei ein Kaffee nachmittags besonders erwünscht, aber allgemein werde eben auch ein Likör gewünscht. Es kämen Gäste aus Heilbronn und Böckingen, welchen sie von Heilbronn her bekannt sei. Sie habe dort das Kaffee und Restauration „Zum Krokodil“ in der Kirchbrunnenstraße gut geführt und nur krankheitshalber aufgeben müssen. Am 27.2.1927 erhält sie auch die Konzession zum Ausschank von Likör.

Bald darauf, schon am 9.juli 1927, wandte sich der Besitzer des Hauses Gottlob Kicherer an den Gemeinderat mit dem Gesuch, das seither von E. Christmann geführte Café in seinem Hause nun selbst weiterzuführen. Am 9. September 1927 erhält Kicherer vom Bezirksrat des Oberamtes Brackenheim die erforderliche Erlaubnis. Das Geschäft scheint gut gelaufen zu sein, denn im April 1929 beantragt Kicherer, einen weiteren Raum neben dem bisherigen Wirtschaftszimmer zum Ausschank nutzen zu dürfen, was ihm auch genehmigt wurde. Zwei Jahre später starb Gottlob Kicherer im Alter von knapp 53 Jahren. Die Witwe Karoline Kicherer führte das Café danach weiter bis zu ihrem Tod 1935.

 

 

Sylvester im Café Kicherer

Obere Reihe dritter v.links: Otto Kicherer,

die Mädchen in der unteren Reihe: seine Schwestern Elsa und Julie

 

Die beiden Töchter Elsa (verh. Mayer) und Julie (verh. Franz / Häußler) waren später bekannt für ihre Kochkunst. Auf vielen Hochzeiten, Konfirmationen und anderen Festen wurden sie als Köchinnen gerne engagiert.

Nach dem Tod der Mutter Karoline Kicherer haben die Erben das Gebäude an die Spar- und Darlehenskasse verkauft. Eine Kaffeewirtschaft wurde in dem Gebäude nicht mehr betrieben, die Erlaubnis ist erloschen. Das Anwesen wurde von der Familie Hertner erworben, die darin viele Jahre ein Schuhgeschäft betrieb.

 

Lauffener Straße 1: Café Weiss

1954/55 ließ Zimmermann Dorn an der Lauffener Straße 1 ein Wohn- und Geschäftshaus errichten. Im Erdgeschoss war eine Konditorei mit Café vorgesehen. Anfang Mai 1955 stellte der Konditormeister Oskar Weiss sein Gesuch zum Betrieb einer Kaffeewirtschaft „Café Weiss“. Am 28. Mai 1955 erhielt er die Erlaubnisurkunde „zum Ausschank von Wein, Bier, Branntwein und nichtgeistigen Getränken in 1 Schankraum             Cafe Weiss Ecke Lauffener Straße

und 1 Nebenzimmer im Erdgeschoss.“                                     und Hauptstraße

Das Café Weiss war beliebt und bekannt für beste Kuchen und Torten, aber auch für seine Eisspezialtäten und feines Kleingebäck. Familie Weiss betrieb dieses Lokal bis ins Jahr 1976. Als Nachfolgebetrieb wurde in den Räumen die „Hohenloher Pilsstube“ eingerichtet.

 

Hauptstraße 4: Café Sörös

Das derzeit einzige bestehende Café im Ort ist das Café Sörös an der Ecke Hauptstraße und Brackenheimer Straße, am Platz der früheren „Oberen Mühle“ Haldenwang. Das Cafe Sörös wird seit 1995 von Haldenwang-Enkel Michael Sörös und seiner Familie betrieben und ist über die Grenzen von Nordheim hinaus bekannt und beliebt. Der Konditormeister bietet seinen Kunden Kuchen, Torten, Gebäck und Pralinen aus eigener Herstellung. Das Lokal hat 75 Sitzplätze, außerdem 35 Plätze auf der Terrasse.

                                                                                                                                Ulrich Berger

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