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Mitteilungsblatt Nordheim

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„Geschichte“ des Monats Oktober

Erfasst von: Widenmeyer stillgelegt, Lisa | 10.10.2016 – 24.10.2016

Die Geschichte des Schulwesens in Nordheim

Schon viele Jahre bevor in Nordheim 1857 die erste  „Kleinkinderschule“ (= Kindergarten) eingerichtet wurde, gab es bereits eine „Volksschule“.

Nachdem 1534 in Württemberg unter Herzog Ulrich die Reformation eingeführt wurde, sollte nach der neuen protestantischen Lehre jeder Gläubige auch in der Lage sein, die Bibel lesen zu können. Deshalb wurde in Württemberg das Schulwesen sehr gefördert. Neben der flächendeckenden Einrichtung von Lateinschulen (den Vorgängern des heutigen Gymnasiums) verfügte Herzog Christof in der Großen Kirchenordnung von 1559 im Herzogtum Württemberg auch die flächendeckende Einführung der Volksschulen. Diese wurden wegen ihres rein deutschsprachigen Unterrichts im Gegensatz zur Lateinschule im damaligen Sprachgebrauch "teutsche Schulen" genannt.

Der Unterricht wurde damals als ein erweiterter Religionsunterricht betrachtet und war deshalb Aufgabe der Kirche bzw. des Ortspfarrers. Die Schulfächer waren Lesen, Schreiben, Memorieren (auswendig lernen) und Singen. Der Lernstoff setzte sich aus Bibel, Katechismus (Glaubensunterweisung) und Kirchenliedern zusammen. In den meist einklassigen Schulen waren die Schüler in drei Abteilungen (Altersgruppen) eingeteilt. In der ersten Gruppe wurden die Buchstaben gelernt, in der zweiten Gruppe lernten die Schüler Silben zusammenzusetzen und in der dritten Gruppe fingen sie an zu lesen und zu schreiben. Das Hauptziel der Schule war eher die Erziehung zu gehorsamen Untertanen, die Wissensvermittlung lief eher nebenbei.

Da die Pfarrer viele andere Aufgaben zu erledigen hatten, bekamen häufig die Mesner (Kirchendiener) die Rolle des Schulmeisters übertragen. So war es auch in Nordheim. Der Unterricht fand im „Mesnerhaus auf der Kirchenmauer“ statt. (Die Kirche war früher von Schulhaus von 1804                                        einer Mauer umgeben, da um die Kirch herum vor 1574 auch der Friedhof war.) Als erster Nordheimer „Schulmeister“ wird um 1554/60 Kilian Veßler erwähnt. Bereits 1559 lautet es in einem Bericht „Es bewohnt jeder Mesner eine kleine, liederliche, enge Behausung auf der Kirchmauern, ist dem heiligen ganz abgegangen und also baufällig, daß es ganz sorglich drinnen wegen des einfallens zu wohnen ist…“ Die Nordheimer Kinder wurden in dieser baufälligen Mesnerwohnung unterrichtet bis zum Jahr 1791. Dann war die Einsturzgefahr zu groß geworden und die Schule musste bis 1804 ins Rathaus verlegt werden. Ein neuerbautes Schulhaus wurde dann östlich der Kirche 1804 erbaut und eingeweiht.

 

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts platzte diese Schule aus allen Nähten, da die Schülerzahl immer weiter angestiegen war. 1895 wurden 263 Schüler von 3 Lehrkräften in zwei Schulräumen abteilungsweise unterrichtet. Die Planung sah vor, östlich der bestehenden Schule ein neues Gebäude zu erstellen. Der Abbruch dreier kleiner Anwesen machte dies möglich, so dass 1901 die „Neue Schule“ eingeweiht werden konnte. In der Erinnerung vieler Bürgerinnen und Bürger ist dieses markante Backsteingebäude an der Hauptstraße allerdings als „Alte Schule“ bekannt.

 

 

 

1924 wurde eine sechste Lehrerstelle genehmigt, und die inzwischen achtjährige Schulzeit und der Handarbeitsunterricht für Mädchen führte zu abermaliger Raumnot. Für 7 Klassen standen nur 5 Räume zu Verfügung. Eine Erweiterung der Schule in Ortsmitte war aber wegen der eingeengten Lage und der Verkehrssituation nicht möglich. So entstand zunächst in der Südstraße in einem ersten Bauabschnitt ein einstöckiges Gebäude mit 3 Schulsälen. Am 11. 2. 1928 konnte dieser Bau eingeweiht werden. Bereits 10 Jahre später wurde eine Erweiterung beschlossen – ein Klassenzimmer und ein Werkraum im Untergeschoss sollten hinzukommen. Die Bauarbeiten verzögerten sich aber bis 1939/40. Das Nordheimer Schulgeschehen fand nun räumlich deutlich getrennt in der Hauptstraße und in der Südstraße statt.

Schon 1950 waren die Mängel und Zustände in der Hauptstraßenschule beanstandet worden. Vor allem der Schulhof (steil abfallendes Kopfsteinpflaster, Treppen), die Toilettenanlage und der zunehmende Verkehr an der Hauptstraße gaben Anlass zur Kritik. Der Handarbeitsunterricht konnte zur Entlastung der Raumsituation ab 1955 in die neue Turn- und Festhalle ausgelagert werden, in der ein zusätzlicher Raum geschaffen wurde (der übrigens immer wieder als Not-Schulraum genutzt wurde – auch noch im Schuljahr 2000/01). Im Juni 1961 wurde mit dem ersten Bauabschnitt der Schulhausneubau im Geißbühl eingeleitet. Am 30. 11. 1962 konnte das neue Hauptschulgebäude eingeweiht werden. Durch die Einführung des 9. Schuljahres (9.1.1967) und stark ansteigende Schülerzahlen (1969: 525 Schüler in 13 Klassen, 1972: 627 Schüler in 21 Klassen) musste bereits nach wenigen Jahren wieder in Behelfsräumen an verschiedenen Stellen des Ortes unterrichtet werden. So z.B. im Alten Rathaus, im Feuerwehrunterrichtsraum, im Südstraßenkindergarten und in der Turn- und Festhalle.

 

Als 1971 der Standort „Hauptschule Nordheim“ von Amtswegen in Frage gestellt wurde und die Nordheimer Hauptschüler evtl. künftig nach Lauffen oder Großgartach sollten, war guter Rat teuer. Ein rasch erstellter weiterer Gebäudetrakt im Geißbühl, begonnen im April 1972 und am 12. 11. 1972 bereits eingeweiht, brachte die Rettung. Der Schulstandort Nordheim war gesichert. Unterricht konnte jetzt an einem Standort und in ansprechenden Räumen abgehalten werden. Und mit der Einheit Schule – Turn- und Festhalle – Freibad – Sportgelände waren nun insgesamt fast ideale Voraussetzungen für die schulische Arbeit in Nordheim geschaffen worden. Das Schulgebäude in der Südstraße konnte nun vollständig als Kindergarten umgebaut werden und wurde als solcher im Herbst 1973 eingeweiht.

 

Das weitere Anwachsen unserer Gemeinde, aber auch neue Formen und Inhalte des Unterrichtes, machte 2000/2001, fast 30 Jahre nach dem letzten Schulhausbau, einen weiteren Ergänzungsbau erforderlich. Durch das vorausschauende Denken und Planen der Verantwortlichen in den 60er und 70er Jahren und der damit verbundenen großzügigen Geländekonzeption wurde es möglich, dieses weitere, damals dringend benötigte Schulgebäude harmonisch in den schon bestehenden Komplex zu integrieren.

Die Einweihung des neuen Erweiterungsbaus, verbunden mit einem Tag der offenen Tür, fand am 14. und 15. September 2001 statt.

 

 

Alle diese seitens der Gemeinde und Schulverwaltung unternommenen äußeren Maßnahmen konnten aber nicht verhindern, dass die Hauptschule landesweit immer mehr an Akzeptanz verlor. Ein „Rettungsversuch“ war die Einführung der Werkrealschule. In Nordheim konnten ab Schuljahr 1994/ 95 Schüler mit guten Leistungen ab Klasse 8 an einem Zusatzunterricht in Deutsch, Mathematik und Englisch teilnehmen; das 10. Prüfungsjahr hatten sie allerdings wegen der geringen Schülerzahl in Lauffen zu bestehen. Auf Schuljahrsende1997 konnten immerhin vier Nordheimer Schüler die Werkrealschulreife erlangen. Doch auch die Werkrealschule war keine Lösung für das bildungspolitische Desaster, in dem sich das Schulwesen insgesamt befand. Die Nordheimer Hauptschule geriet insgesamt ins Wanken und ihr Bestand wurde zunehmend in Frage gestellt. Sie war 2012 mit 90 Schülern nur noch einzügig. Der Gemeindeverwaltung war die Bedeutung eines leistungsfähigen Bildungsangebots vor Ort bewusst. Eine Gemeinde mit ca. 8500 Einwohnern benötigt zwingend eine nach der Grundschule weiterführende Schule. So wurde alles versucht, den Schulstandort Nordheim zu erhalten. Man war 2010 mit der Landeskirche im Gespräch wegen der Einrichtung einer privaten evangelischen Schule in Nordheim, die aber letztlich nicht zustande kam. Die Gemeinde und die Schule verfolgte das erklärte Ziel, die Kurt-von-Marval-Schule zu einer berufsorientierten Ganztagesschule zu entwickeln. Durch die Landtagswahl 2011 gab es in der Schulpolitik von Baden-Württemberg einige gravierende Veränderungen, die letztlich auch Änderungen für das Nordheimer Schulwesen bedeuteten. Die neue Landesregierung, eine grün-rote Koalition aus Bündnis 90/Die Grünen und SPD, genehmigte nach einem landesweiten Bewerbungsverfahren zum Schuljahr 2012/13 an 42 Städten die ersten Gemeinschaftsschulen. Es würde hier zu weit führen, das Wesen, die Vor- und Nachteile der Gemeinschaftsschule im Detail darzustellen. In Nordheim sah man die Chance, den Pfad der sich immer mehr zur „Restschule“ entwickelnden Hauptschule zu verlassen und einen anderen Weg einzuschlagen. Schule und Gemeinde stellten den Antrag, eine Gemeinschaftsschule einrichten zu dürfen. Im Frühjahr 2013 war es soweit: das Kultusministerium genehmigte den Antrag, Nordheim konnte ab dem Schuljahr 2013/14 eine Gemeinschaftsschule einrichten.

 

 

 

Ausschnitt aus der „Heilbronner Stimme“ vom 6.2.2013

 

In groben Zügen beschrieben ist die Gemeinschaftsschule eine leistungsorientierte Schule, die Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Begabungen fördert. Dazu zählen Mädchen und Jungen, die sich mit dem Lernen schwer tun, genauso wie solche mit sehr hohem Leistungsvermögen. Auch Kinder mit Behinderungen gehören dazu. An der Gemeinschaftsschule werden dieselben Abschlussprüfungen wie an den anderen allgemein bildenden Schulen durchgeführt. Daneben ist bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch der Wechsel in die Oberstufe eines allgemein bildenden Gymnasiums oder an ein berufliches Gymnasium möglich. In Nordheim geht man davon aus, dass die Gemeinschaftsschule dauerhaft zweizügig geführt werden kann.

 

Mit der Einführung der Gemeinschaftsschule mit gebundenem Ganztag an vier Wochentagen und der Einführung der offenen Ganztagesschule an drei Wochentagen in der Grundschule wurde klar, dass das bisherige Platzangebot nicht mehr ausreicht.

Schulentwicklung und die nun bezogenen erweiterten und grundsanierten Schulgebäude gewährleisten eine Pädagogik mit entsprechendem Raumkonzept, das den derzeitigen Ansprüchen für eine zukunftsfähige Schule entspricht. Es bleibt zu hoffen, dass mit diesem Projekt der Schulstandort Nordheim dauerhaft gesichert werden kann.                                                                                                                                                 Ulrich Berger

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