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Mitteilungsblatt Nordheim

Neues aus Nordheim und Nordhausen (Archiv)

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„Geschichte“ des Monats Juli:

Erfasst von: Widenmeyer stillgelegt, Lisa | 07.07.2015 – 21.07.2015

Vor 75 Jahren: Einweihung des Nordheimer Freibades am 20.Mai 1940

 

Schon im 19. Jahrhundert war für die Nordheimer Bevölkerung das Baden im Neckar im Sommer eine willkommene Erfrischung und Abwechslung. Ein Freibad gab es damals noch nicht, und die Badeplätze Richtung Klingenberg und Richtung Lauffen waren zunächst streng getrennt nach den Geschlechtern. Mit dem Bau des Neckarkanales in den 20er Jahren kam schließlich das Aus für diese Badeplätze. Einige Zeit behalf man sich nach 1930 mit dem Bad bei der Horkheimer Schleuse, auf Dauer war das aber keine gute Lösung für die Nordheimer. Die Bevölkerung wollte deshalb ein eigenes Freibad, und Karl Wagner, der seit 1931 Bürgermeister war, setzte sich mit großem Engagement für diese Forderung ein.

   

Baden an der Horkheimer Schleuse 1933 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                              Liste der Arbeiter und Spender von 1939 mit dem jeweiligen
                                              Beitrag; alle Listen sind im Archiv erhalten.

  

Als geeigneten Standort  stellte sich ein Grundstück am Breibach heraus, das in der Nähe des Ortes war und genügend Platz für eine Liegewiese und einen Parkplatz bot. Inzwischen hatte sich die außenpolitische Lage Deutschlands zugespitzt, ein Krieg wurde immer wahrscheinlicher, und der ganze Baumarkt konzentrierte sich auf die Fertigstellung des Westwalls – Baumaterial und Bauarbeiter wurden Mangelware. Man hoffte, eine Ausnahmegenehmigung für Tiefbauarbeiten bei der zuständigen Behörde erhalten zu können. Die Hauptvoraussetzung dafür war der Nachweis, dass in Nordheim freie Arbeitskräfte aus der Bevölkerung zur Verfügung standen. Bei einer Bürgerversammlung wurde beschlossen, dass alle Männer 40 Stunden Arbeit unentgeltlich leisten sollten. Ersatzweise konnte dafür ein Beitrag von 24 Mark bezahlt werden oder Fuhrleistungen im Wert von 24 Mark, das entsprach jeweils dem Wert von 40 Stunden Arbeit. Anfang April 1939 ging man von Haus zu Haus, um alle arbeitsfähigen Männer zu erfassen. Etwa 450 Männer waren damit einverstanden, sich für die unentgeltliche Arbeit am Freibadbau zu verpflichteten. Nur 15 Personen waren dazu nicht bereit.  Diese wurden von Karl Wagner persönlich angeschrieben. Das Schreiben vom 14.4.1939 war deutlich:

 

Da bereits in den nächsten Tagen mit den Arbeiten begonnen wird, möchte ich Ihnen als einem der Wenigen, die eine Mithilfe abgelehnt haben, nochmals die Gelegenheit geben, sich zur Mithilfe zu verpflichten. Es müsste wahrscheinlich für Sie sehr beschämend sein, wenn nachher die große Gemeinschaftsarbeit fertig ist, und Sie sich außerhalb dieser Gemeinschaft fühlen müssten. Ich bitte, nochmals zu prüfen, ob Sie nicht auf irgendeine Weise mithelfen wollen und es mir in den nächsten 2-3 Tagen mitzuteilen“.

 

Erster Spatenstich am Geburtstag des Führers (20. April 1939)

 

 

Bis auf 4 Männer, die aus persönlichen Gründen ablehnten, konnten schließlich alle für den Freibadbau gewonnen werden. Fast alle Arbeiten mussten in Eigenregie durch die Gemeinde mit ehrenamtlichen Arbeitskräften erfolgen. Nur wenige Arbeiten, wie die Verschalung des Beckens, wurden an die Firmen Adolf & Wilhelm Wirth und Ernst Holbein abgegeben.             Schalungsarbeiten
Für die Überwachung und Einteilung der Arbeiten hatte sich ein Nordheimer Trio gefunden, das sich der ganzen Angelegenheit angenommen hatte: Wilhelm Schiz, Gemeindepfleger a.D., Peter Bayer, Zugschaffner a.D., und Karl Jäger, Amtsbote und Fleischbeschauer.

 

Diesen Männern war es zu verdanken, dass jeden Tag für die anstehenden Arbeiten genügend und möglichst qualifizierte Helfer zur Verfügung standen. Die Pläne für das Freibad waren Mitte April fertig. Vorgesehen war ein 50 m langes und 20 m breites Badebecken. Im Nichtschwimmerteil des Beckens betrug die Tiefe 0,80m – 1,30m und im Schwimmerteil 1,30m – 3,00m. Außerdem waren noch ein Kinderplanschbecken mit 20qm, eine Dusche, ein Gebäude mit Kasse, Umkleidekabinen und Toiletten vorgesehen. Die Gesamtkosten wurden auf 33.500 RM veranschlagt. Die Arbeiten kamen zügig voran. Die gute Planung verhinderte einen Leerlauf, und sogar Frauen beteiligten sich an den Arbeiten. Bis zum 8. August waren der Erdaushub, den man nur mit Spaten bewerkstelligte (die Erde wurde auf einem Feldbahngleis mit Pferdezug abtransportiert) und die Betonarbeiten fertig. Sofort wurde der Erdaushub planiert, und nachdem man unter Schwierigkeiten eine meergrüne Unterwasserfarbe organisiert hatte, konnte mit dem ersten Anstrich begonnen werden. Diese Arbeit war am Abend des 26. August 1939 beendet. Gerade noch rechtzeitig, denn in dieser Nacht kamen die ersten Stellungsbefehle für die Nordheimer. Die Einberufenen mussten bereits am nächsten Morgen zur Truppe abreisen. Der II.Weltkrieg hatte begonnen.

 

Beim Streichen halfen auch Frauen mit

 

Mit den verbliebenen Arbeitern und zusätzlichen Helfern des Infanterieregiments, das hier stationiert war und die der Kompaniechef großzügiger weise zur Verfügung gestellt hatte, wurde auch der zweite Anstrich fertiggestellt. Am 24. September 1939, einem Sonntag, konnte das Becken zum ersten Mal mit Wasser gefüllt werden, gespeist von einer Quelle unter dem alten Sportplatz neben der Lauffener Straße und dem Breibach. Gebadet werden konnte noch nicht, aber es kamen viele Nordheimer, um ihr „Werk“ zu begutachten.                           Die ersten Badeversuche im fast fertigen Freibad

 

Über die Herbst- und Wintermonate wurde der Fußweg zwischen der unteren Mühle und der Lauffener Straße nach Süden verlegt, damit der ganze Nordhang zum Freibad hinzugezogen werden konnte. Die Anpflanzung von Sträuchern wurde vorgenommen und das Bauholz für die Badegebäude organisiert. Im Frühjahr war die Anlage soweit fertiggestellt, dass die offizielle Eröffnung auf den 20. Mai 1940 gelegt werden konnte. Das Becken mit Wasser zu füllen dauerte ca. 32 Stunden, da dies von der Fließgeschwindigkeit des Breibaches und der Quelle abhing. Um die Wassergüte zu erhalten, wurde dem Wasser Chlor und Kupfervitriol zugefügt.

 

 

 

 

Als Badewärter wurde Wilhelm Rügner angestellt, der auch Eis und „nicht geistige Getränke“ und dergleichen verkaufen durfte. Sein Schwiegervater Emil Riedel wurde seine Vertretung. Die Badegebühren betrugen anfangs: Erwachsene 20 Pf. Kinder bis 14 Jahre 10 Pf, Schulklassen frei, Jahreskarten für Erw. 3,– RM, Jahreskarten für Kinder 1,50 RM. Das Freibad wurde durch hiesige Kinder sehr genutzt, und auch auswärtige Schulen kamen zu Fuß nach Nordheim. Die Erwachsenen waren nur ganz am Anfang etwas zurückhaltend, später wurde dies jedoch besser. Von auswärts kamen über den Krieg, außer am Sonntag, wenig Badegäste. Dafür waren die Soldaten der „Scheinanlage Stuttgarter Bahnhof“ ständige Gäste. 1945 badeten die amerikanischen Besatzungstruppen im neuen Bad, Zivilpersonen war das verboten. Nach dem Krieg kamen die Badegäste nicht nur aus Nordheim, sondern auch aus dem ganzen Umland, da es zu dieser Zeit nur in Heilbronn und Güglingen weitere Freibäder gab.

Diese Gemeinschaftsaktion 1939/40 zum Bau des Freibades war eine großartige Leistung der Nordheimer Bevölkerung. Einen ähnlichen Gemeinschaftssinn erlebte man auch bei allen Blumensommerveranstaltungen unserer Gemeinde ab dem Jahr 2003.

 

Renovierung-Sanierung-Umbau des Nordheimer Freibades 2007/2008:

Trotz einer Sanierung in den 60er Jahren waren nach der Jahrtausendwende grundsätzliche Neu- oder Umbaumaßnahmen erforderlich geworden. Nach mehrjähriger Planungsphase war es nach der Badesaison 2007 soweit, die Baumaßnahmen konnten beginnen, und am 9.5.2008 wurde das für 3,75 Millionen Euro neugestaltete Freibad wieder eröffnet. Große Unterstützung hatte dieses Großprojekt durch den Freibadfördervereines und die von Marval’sche Stiftung erhalten. Das neu gestaltete Bad hat nun eine Wasseraufbereitungstechnik nach dem neuesten Stand, eine 60m lange Wasserrutsche mit 18-Meter-Tunnel und für die Erwärmung des Wassers wird Sonnenenergie genutzt. Das Kinderbecken wurde völlig neu gestaltet, das Schwimmer-und Nichtschwimmerbecken besteht aus einer Edelstahlwanne.

 

An das Baden im Neckar kann sich kaum noch jemand erinnern, und von den Bauhelfern und Bauhelferinnen 1939/40 ist fast niemand mehr am Leben. Froh sein können die heutigen Nutzer unseres Freibades, dass es immer wieder Menschen aus der Bevölkerung gab, die sich aktiv und mit viel Engagement für das Nordheimer Freibad eingesetzt haben. Diese Mitbürger haben einen großen Beitrag dafür geleistet, dass Jahr für Jahr Junge und Alte, Einheimische und Auswärtige, dem Badevergnügen im Nordheimer Freibad nachgehen können.

 

Nordheimer Freibad 2015

                                                                                                                                               Ulrich Berger

                                                                         (unter Verwendung von Texten von Karl Wagner)

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