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Mitteilungsblatt Nordheim

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„Geschichte“ des Monats April:

Erfasst von: Widenmeyer stillgelegt, Lisa | 27.03.2015 – 10.04.2015

„Geschichte“ des Monats April:

 

Nordheimer Brunnengeschichten - Wasser für Mensch und Vieh

Bevor am 1. Juli 1907 die Wasserleitung für die meisten Nordheimer Haushalte eingeweiht wurde, waren die privaten Haushalte und alle landwirtschaftlichen Betriebe über viele Jahrhunderte auf das Wasser von Brunnen und auf Wasser aus unserem Ortsbach oder auf gesammeltes Regenwasser angewiesen. Vor allem die in der Landwirtschaft als Arbeitstiere benötigten Pferde, Ochsen und Kühe, aber auch Zuchttiere wie Schweine, Schafe und Rinder, benötigten täglich viel Wasser. Je nach Jahreszeit, Temperatur und die zur Verfügung stehende Futterart wurden täglich große Wassermengen benötigt: für ein Pferd etwa 30-70 Liter, ein Rindvieh 50-80 Liter, Schweine 8-10, Schafe dagegen brauchen nur 2 Liter. Im Jahre 1873, gab es in Nordheim 25 Pferde, 665 Stück Rindvieh (Ochsen, Kühe, Jungvieh), 214 Schweine, 470 Schafe, 15 Ziegen. Rechnet man den täglichen Wasserbedarf aller dieser Tiere hoch, so kommt man auf einen Bedarf von etwa 35.000 bis 40.000 Liter, also 35-40 Kubikmeter am Tag. Diese Wassermenge musste jeden Tag zur Verfügung gestellt werden, um die Tiere am Leben zu erhalten. Hinzu kam der persönliche Wasserbedarf der damals etwa 1200 Einwohner von Nordheim. Dieses gesamte benötigte Wasser musste aus privaten und öffentlichen Brunnen sowie aus dem Katzentalbach entnommen werden.

Links: Der „Kandel“ in der Hauptstraße

 

Eine Ableitung des Abwassers über eine Kanalisation gab es früher nicht, überflüssiges Brunnenwasser, Regenwasser, auch das von den Dächern kommende Wasser und sogar häusliches Abwasser lief einfach auf die Straße, wo es sich an der tiefsten Stelle sammelte und oft große, morastige Flächen bildete. Die Straßen waren bestenfalls geschottert und gewalzt. Stellenweise gab es einen gepflasterten Kandel, der das Abwasser in Richtung Ortsbach leitete. Da früher vor den meisten Häusern eine Miste war, mischte sich häufig noch Jauche in das Straßenabwasser, so dass die Verunreinigung in den Straßen und Gassen oft enorm war und immer wieder zu Beanstandungen und Rügen durch das Oberamt führte.

 

Was ist nun noch konkret über die alten Brunnen von Nordheim bekannt? Im Protokollbuch der Gemeinde aus dem Jahr 1816 ist unter „Ausgaben“ vermerkt, dass 5 Zugbrunnen und 2 Pumpbrunnen zu unterhalten sind. Die Gemeinde nahm an Größe und Einwohnerzahl zu, so dass in der Oberamtsbeschreibung von 1873 über die Wasserversorgung von Nordheim berichtet wird: „Mit gutem Trinkwasser, das ein laufender, 11 Pump- und ein Schöpfbrunnen liefern, ist der Ort hinreichend versehen...“ Hinzu kamen noch zahlreiche private Hausbrunnen, die aber meist weder mit Namen des Besitzers noch mit Ort bzw. Gebäude bekannt sind. Manche Brunnen hatten einen Trog, der auch als Viehtränke benutzt wurde.

Folgende Brunnen  sind durch Aktennotizen oder Eintragung in Orts- oder Lageplänen nachweisbar:

1. Schwaigerner Straße (Im „Neuweiler“):

Damit die Bewohner im nach dem Ortsbrand von 1810 neu angelegten Vordorfes nicht immer bis ins Dorf hineingehen mussten um Wasser zu holen, wurde im Juni 1812 beschlossen, dass „zur Erleichterung für die dortige[n] Hauß Bewohner ein Pumpbronnen auf Flekenkosten gegraben und gemacht werden solle“ Dieser Brunnen lag kurz vor dem Gebäude Schwaigerner Straße 4 (Bechtold/Altmann) an der Ecke zur Großgartacher Straße. Im März 1911 beantragte Gustav Müller, diesen Brunnen zuzuschütten.

 

2. Kelterstraße (vor Kelterstraße 23):

Auf der Straße gegenüber der (alten) Kelter, etwa da wo es den Berg hochgeht zur sogenannten „Silla Hopp“.

 

3. Kirchstraße:

Hinter dem früheren „Ochsen“ (heute altes Wohnhaus der Familie Walter Kurz). Dieser Brunnen war noch lange im 20. Jhdt. in Benutzung, sein Schacht ist heute noch vorhanden.

 

4. Hauptstraße: (etwa beim „Glockenstupferbrunnen“)

Gegenüber dem Rathaus vor dem früheren „Ochsen“. Dieser Brunnen wurde 1709 bereits als „Stangenbrunnen“ erwähnt. Der Brunnen 3 oder 4 führte zeitweise auch die Bezeichnung „Kettenbrunnen“.

 

 

 


 

Rechts: Der Brunnen in der Kirchstraße

5. Rathausgasse:

Hinter dem alten Rathaus, links an der Ecke beim Beginn der Rathausgasse.

 

6. Hauptstraße 23, früher „Entengasse“:

Ein eiserner Pumpbrunnen mit 2 Röhren vor dem Gebäude der früheren Schmiede Frank, vormals Bäcker Adam Schmalzhaf. Im August 1911 beantragte der Schmied Jakob Frank, einen Boden in den Brunnen machen zu dürfen und diesen Raum als Kohlelagerplatz zu nutzen (was auch geschehen ist).

 

7. Hauptstraße 8, früher „Entengasse“:

Zum Anwesen des Jakob Pfannenschwarz gehörte ein Brunnen. Als 1838 der öffentliche Brunnen beim Haus des Adam Schmalzhaf (siehe Nr. 6) für etwa 10 Wochen nicht benützbar war, holten die Anwohner ihr Wasser am Brunnen von Jakob Pfannenschwarz. Als Entschädigung „wegen dieser Abnutzung seines Eigentums“ erhielt dieser 10 Mark aus der Gemeindekasse.

  

8. Wassergasse

Der „Kullesbrunnen“ (Quellbrunnen) entspringt unter der Hauptstraße vor der Kirche. Der Wasseraustritt war am oberen Ende der Wassergasse Richtung Kirche. Noch heute verschließt dort ein hölzerner Verschlag den Kullesbrunnen.

 

 

9. Wassergasse/Brenngasse

Der „Jakobsbrunnen“ lag am Verbindungsweg zwischen Wassergasse und Brenngasse, etwa vor Wassergasse Nr. 19 (früher Rothweiler, später auch Wertsch, um 1900 Jakob Schick, Schuhmacher). 1901 wird berichtet: „Der Quellbrunnen bei Jakob Schicks Haus, der angeblich frisches und gutes Wasser liefert, liegt so offen zu Tag, dass eine Verunreinigung von außen leicht möglich ist und Kinder hineinfallen können. Derselbe sollte geschlossen und eine Pumpe aufgesetzt werden.“ Der Name des Jakobsbrunnens hat vermutlich keinen religiösen Hintergrund, sondern dürfte zurückzuführen sein auf mehrere direkte Anwohner dieses Brunnens, die alle den Vornamen „Jakob“ trugen (alt-Jacob Friedrich Käss, Johann Jakob Schick, jung-Jacob Friedrich Käss).

 

10. Ecke Hauptstraße / Brenngasse (heute VBU)

Der Brunnen war 1812 eingefallen und musste von Steinen und Unrat gereinigt werden. 14 Männer waren damit beschäftigt, und weil sie die Nacht durchgearbeitet hatten erhielten sie außer Wein und Brot „um der Kälte Willen“ noch für 32 Kreuzer Brandwein. Im April 1812 fiel eine Katze in den Brunnen, der deshalb ausgeputzt werden musste um die Verseuchung des Wassers durch verwesendes Aas zu vermeiden.

 

11. Hauptstraße 72 (Donner/Rentschler)

1894 wird erwähnt: Der Brunnen bei Donner hat einen undichten Bodenkranz, der repariert und dicht gemacht werden soll.

 

 

 

 

 

 

 

 

Links: Brunnen vor dem Haus
Donner/Rentschler

 

12. Hauptstraße/Ecke Lauffener Straße

Der „Kapellenbrunnen“ war 1816 der wasserreichste Brunnen im Ort und wurde auch als Eichbrunnen benutzt. Vermutlich war er ein „laufender Brunnen“, d.h., sein Wasser lief ständig: Da es keinen Kanalisation gab, lief es über die Straße in eine Rinne und wurde in den Katzentalbach geleitet. 1816 bestand noch ein baufälliges Brunnenhäuschen. 1846 beschwerte sich Sonnenwirt Ludwig Bechstein über die Verunreinigung vor seinem Haus durch den Brunnen und bat, ihn in einen Pumpbrunnen umzuwandeln. 1885 heißt es: „Das Wasser in dem Gemeindebrunnen unterhalb der „Rose“ ist schon seit Anfang des Sommers 1885 verunreinigt und zwar derart, dass es für Waschen nicht mehr taugt und für Vieh nur mit Gefahr einer Gesundheitsschädigung gebraucht werden kann.“

Brunnennixe“, vermutl.
vom Kapellenbrunnen

 

13. Hauptstraße/Ecke Klimmerdinger Straße

Dieser Brunnen wurde 1886 vermutlich als Ersatz für den abgängigen Kapellenbrunnen gegraben. Der Brunnenstock stand noch in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts an dieser Stelle.

 

Pumpbrunnen an der „Klemmerte“

 

14. Südstraße 7

Vor dem Gebäude früher Kaufladen Müller (auch Schreinerei Müller, Ecke Hausener Str.)

 

15. Untere Mühle Notz/Barho

Im alten Gebäude der unteren Mühle befand sich in der Küche eine zu einem Hausbrunnen gehörende Pumpe.

 

 

Wasserhahn und Waschbecken am Farrenstall

Nach Einführung der Wasserversorgung 1907 durch die Hauswasserleitung wurden fast alle Brunnen stillgelegt oder zugeschüttet. Brauchbares Altmaterial hat man wiederverwertet oder als Alteisen verkauft. Die öffentlichen Wasserstellen wurden aber vermisst, denn der Gemeinderat beriet im Juni 1909: „Es wurde schon als Mißstand empfunden, daß anläßlich der Erbauung einer Wasserleitung die laufenden oder Pumpbrunnen im Ort teilw. fehlen, so daß häufig Gelegenheit zum Trinken, namentl. auch bei militärischen Durchzügen, aber auch zum Tränken der Pferde und Hunde vermißt wird, weshalb der Ortsvorsteher die Aufstellung eines Ventilbrunnens etc. als wünschenswert erachtet. Einstimmig wird beschlossen: am Rathaus und am Schafhaus (Anm.: späterer Farrenstall) eine Vorrichtung zum Wasserentnehmen ähnlich wie eine Hauswasserleitung anzubringen“.

An diesen Gebäuden wurde daraufhin je ein öffentlicher Wasserhahn mit Waschbecken angebracht, die bis in die 60er Jahre dort noch sichtbar waren.

 

Wasserhahn und Waschbecken am Farrenstall

                                                                                                                                 Ulrich Berger

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